01 - Der Ring der Nibelungen
sich in einer ähnlichen Lage wie Ihr. Sein Vater drängt auf Brautschau - doch Edelrich verweigert sich beharrlich. Es geht das Gerücht, sein Gemüt neigt mehr zu den schönen Künsten als den schönen Frauen.«
Kriemhild wusste natürlich, was die mäßig höfliche Umschreibung bedeutete. »Und wenn dem so ist?«
»Dann seid ihr einander die Lösung, ohne Bestimmung zu sein«, fuhr Hagen fort. »Ihr heiratet Edelrich, bringt -auf welche Weise auch immer - einen Erben zur Welt, und schlaft fortan in getrennten Zimmern - getrennten Flügeln der Burg, wenn es euch genehmer ist. Wen Ihr in Euer Bett einladet, bleibt dann Euch überlassen. Aber die Thronfolge wäre gesichert und Frieden für zwei Generationen.«
Es fiel Kriemhild schwer, ihren Ekel im Zaum zu halten. Was Hagen vorschlug, war eine Farce, ein Schauspiel - und eine Sünde vor dem Herrn!
»Weiß mein Vater von dieser Idee?«, hielt sie ihm entgegen.
»Nein«, gab Hagen unumwunden zu. »Der König weiß, dass es Dinge gibt, die zu tun ihm nutzen - aber die zu wissen ihm schaden. Es ist meine Aufgabe, beides zu trennen. Bisher gereicht es Euch zum Vorteil, dass er seine Liebe zu Euch über die Pflicht an das Land stellt. Seid nicht sicher, dass dem immer so sein wird.«
Die Verachtung, die sie gegenüber dem Ratgeber ihres Vaters empfand, stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Wie könnt Ihr eigentlich des Nachts schlafen, Hagen von Tron-je?«
Der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht. »Mit dem Schwert an meiner Seite und der Sorge über Burgund im Herzen. Im Gegensatz zu Euch muss ich nicht bei einem schwachen Gott um Vergebung betteln, bevor meine Kerze erlischt.«
Hagen war nicht zum neuen Glauben übergetreten, wie die meisten Bewohner der Burg. Sein Glaube war der Glaube an die alten, grausamen Götter, an Asgard und Walhall. Kriemhild schwante es, dass der Gedanke an ein friedliches Jenseits für den Krieger Hagen unerträglich, alles andere als der Kampf an Odins Seite undenkbar war. Er würde mit Freuden auf die Wallküren warten, damit sie seine Seele vom Totenbett holten.
Kriemhild ging zum Fenster. »Euren Vorschlag habe ich gehört, Hagen. Und Euer gotteslästerliches Gerede auch. Um des Friedens am Hofe will ich meinem Vater nicht davon erzählen. Aber solltet Ihr Euch je wieder erdreisten, mich oder meinen Glauben zu verspotten - die Verbannung aus Burgund wäre schneller als jede fahle Entschuldigung von Euren Lippen.«
Hagen verbeugte sich leicht. Er hatte gesagt, was es zu sagen gab. Dass Kriemhild ihn dafür hasste, hatte er vorausgesehen - aber die Saat für den notwendigen Gedanken hatte er legen können. »Ich muss noch Vorbereitungen für Etzels Besuch treffen. Wessen Gott auch die Geschicke lenkt - er möge Euer Herz dem richtigen Mann öffnen.« Damit verschwand er.
Kriemhild sah durchs Fenster in den Hof. Siegfried stand mit Regin am Karren. Sie schienen zu streiten.
Hagen hatte keine Ahnung, dass Gott Kriemhilds Herz schon geöffnet hatte letzte Nacht.
»Wir können doch nicht so einfach abreisen - Burgund braucht unsere Hilfe!«, versuchte es Siegfried erneut.
Wütend zurrte Regin die Abdeckung des Karrens fest. »Burgund braucht Krieger - und einen Ehemann für die Prinzessin. Beides wirst du nicht sein!«
Die Worte seines Ziehvaters verletzten Siegfried, wenngleich er sie verstand. »Ist nicht die Tatsache, dass Burgund unsere Hilfe braucht, Grund genug für unser Bleiben?«
Während im Hintergrund Gunther auf den Hof trat, baute sich Regin, mochte er auch einen Kopf kleiner sein als Siegfried, vor seinem Ziehsohn mit geschwellter Brust auf. »Siegfried! Ich habe deiner Mutter einst versprochen, ihren Sohn vor allen Gefahren zu schützen, so gut es mir eben möglich ist. Doch von jeher warst du dir selbst immer die größte Gefahr. Wie soll ich dich vor deiner eigenen Dummheit, deinem eigenen Starrsinn schützen?«
Gunther trat nun dazu und legte Regin beruhigend die Hand auf die Schulter. »Mein lieber Schmied, wenn ich auch an Jahren nur wenig mehr zähle als der blonde Hitzkopf hier, so biete ich doch meinen Rat - Siegfried muss erst Krieger sein, um nach dem Kampf freudig das Schwert beiseite zu legen. Alle guten Worte werden ihn nicht so schnell bekehren wie der Geschmack des eigenen Blutes.«
Regin senkte ehrfürchtig den Kopf. »Euer Hoheit, ich danke für die Aufnahme bei Hofe, und die klugen Worte auch, aber . . . «
»Als Gegenleistung erlaubt uns, unser Handwerk als Schmiede in den
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