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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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den Leib seines Vaters vom Pferd herab an sich, und trotz seiner Verletzungen gelang es ihm, Gundomar behutsam auf den Tisch zu legen. »Niemals werden wir darüber sprechen - und niemals mehr wirst du uns fragen.«
    Der König war nicht tot. Seine Seele krallte sich in seinem Körper fest, nicht willens, das geschundene Fleisch zu verlassen. Obwohl sein Herz kaum noch Blut zu schlagen besaß und der Atem sich mit Speichel röchelnd mischte, hob er den rechten Arm, seine engsten Vertrauten zu sich rufend. Hagen, Kriemhild und Gernot gesellten sich zu Gunther an die Seite des Königs.

    Knapp und krächzend waren die Worte, die Gundomar noch zu sprechen vermochte. »Ins . . . Antlitz des Teufels haben wir geblickt. Das Feuer ... Feuer der Hölle . . . «
    Gunther, der sich auf die Tischkante stützte, legte seinem Vater die Hand auf den Arm. »Es ist gut, Vater. Wir sind daheim in Burgund. Wenn es Tag wird und deine Wunden versorgt sind, wird ein Gebet uns Linderung bringen.«
    Statt einer Antwort drehte sich Gundomar zu Hagen. »Du wirst . . . Sorge tragen . . . Gunthers Schwert und Schild sein . . . König Gunther . . . «
    Hagen schien in seiner ewigen Ernsthaftigkeit nicht mehr betroffen als sonst auch, doch er senkte das Haupt. »Mit meinem Leben.«
    Kriemhild drängte sich vor, hob ihrem Vater die blutverschmierte Hand und küsste sie weinend. Gundomars Stimme versagte, und das Lächeln, das seinem Gesicht beim Anblick seiner Tochter gelang, wurde zum Teil seiner Totenmaske.
    Schweigend sanken die verbliebenen drei Kinder des Königs von Burgund auf die Knie und begannen zu beten.
    Hagen hingegen drehte sich leise um und zog sein Schwert. Jemand musste sich um das leidende Pferd kümmern.
     
    Das Schiff der Sachsen, gebaut für Fahrten auf den Flüssen des Reiches, mühte sich gegen die peitschenden Wogen, die es in die Tiefe zerrten, nur um es dann wieder gegen den nachtschwarzen Himmel zu spucken. Der Wind stand günstig, und das Segel war bis zum Zerreißen gespannt. Die Ruder waren schon lange eingeholt - das Wasser hätte sie zerbrochen wie ein schwerer Stiefel einen Ast.
    Edelrich, Sohn von Thalrich, Kronprinz von Sachsen, stand am Bug des Schiffes, die schlanken Hände an der Reling. Regen prasselte in sein Gesicht, angetrieben von Böen, die entweder aus Utgard oder der Hölle kamen, je nachdem, welchen Göttern man huldigte. Edelrich hasste das Meer. Er hasste diese Reise. Er hasste jeden einzelnen Tropfen, der sein Haar durchnässte. Was ihn nach Island trieb, war weder Abenteuerlust noch der Drang, Brunhilde zu seiner Königin zu machen. Sein Vater hatte, kaum dass der Bote vom Hofe Islands eingetroffen war, ein schnelles Schiff beladen lassen. Sachsen und Dänemark beargwöhnten einander seit Jahren, sich gegenseitig des Anspruchs auf des anderen Reich beschuldigend. Thalrich war kaum im Stande, einer Invasion der Streitmächte von Dänemark und Xanten standzuhalten, aber die Verbindung Sachsens mit der Krone Isenstein konnte einen Ausgleich schaffen, der den wankenden Frieden stützte. Sachsen und Island gegen Dänemark und Xanten - es klang so verlockend, dass Thalrich gerne den widerwilligen Sohn zu opfern bereit war.
    Es war nicht so, dass Edelrich die Strategie des Vaters nicht verstand. Sein Geist war wach und sein politisches Geschick beträchtlich. Trotz seiner mangelnden Hingabe an die weiblichen Reize war er bereit, um der Krone willen zu heiraten. Jede Übereinkunft, die einem großen Ziel diente, fand auch Lösungen für die kleinen Unannehmlichkeiten, die sie nach sich zog.
    Aber Brunhilde? Island? Edelrich hatte mehr von diesem barbarischen Volk und seinem kalten Reich erfahren, als ihm lieb war. Musik und Literatur waren dort verpönt, und alles, was die Handwerker schufen, unterwarf sich einem Zweck, ohne dem Ornament zu huldigen. Das Essen war fett, das Land karg. Zwar wurde Brunhildes Schönheit gepriesen - aber es war die herbe Schönheit einer Kriegerin, die sich um Duft und Liebreiz nicht scherte.
    Beabsichtigt war, dass Edelrich mit Brunhilde Island regieren sollte, solange sein Vater den Thron von Sachsen innehatte. Nach Thalrichs Tod würden die Reiche vereint, und Edelrich konnte wieder in die Heimat zurückkehren, während Island zur Provinz erklärt würde.
    Der Gedanke daran ließ in Edelrich den Wunsch aufkommen, seinen Vater schon bei der Hochzeit mit Brunhilde meucheln zu lassen, um keinen Tag länger als nötig im unwirtlichen Norden verbringen zu müssen, wo die

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