01 - Der Ring der Nibelungen
würde mir Edelrich nicht weniger zum Feind machen als sein Tod den Vater. Doch nach dem, was man hört, wird Thalrich kaum das Schwert erheben, um die Ehre eines Sohnes zu retten, der dumm genug ist, sehenden Auges in den Tod zu segeln.«
Es war durch die wabernden Flammen schwer abzuschätzen, wie weit Edelrichs Schiff noch von dem tosenden Inferno in der Mündung des Fjords entfernt war.
»Bevor ihr einen Gatten erwählt, wird die Hälfte aller Königreiche Island weniger als wohlgesonnen sein«, gab Eolind zu bedenken. »Diplomatie soll der Politik helfen, Kriege zu verhindern, nicht, sie zu entfachen.«
»Auch mein Vater hielt nichts von Diplomatie«, beschied ihn Brunhilde knapp.
Ihr Ratgeber schüttelte den Kopf. »Hakan war auf die Vermeidung von Diplomatie bedacht, nicht auf ihre Missachtung. Er suchte keine Freunde - aber er war klug genug, sich keine Feinde zu machen.«
Es war offensichtlich, dass die junge Königin kein Interesse hatte, weiter über das Thema zu sprechen. Sie lehnte sich nach vorne, um einen besseren Blick zu haben. »Später, Eolind - es scheint, das Schauspiel beginnt.«
Das Schiff der Sachsen hatte nun den äußeren Rand der Flammenwand erreicht, und seine Spitze tauchte in das Feuer ein. Wenige Herzschläge lang war es, als könnte das breitbauchige Schiff in voller Fahrt in den Fjord treiben. Die Flammen, die es umtosten, leckten gierig an den Planken, ohne sie zu fressen. Zu viel Meerwasser hatte das Holz aufgesogen.
Dann brannte das Segel. Mit einem wütenden Fauchen riss es sich los, Fetzen in den heiß wirbelnden Wind schlagend. Das stolze Abzeichen von Sachsen ergab sich den Flammen wie ein böses Vorzeichen.
Das Schiff kam fast augenblicklich zum Stillstand, leicht zitternd in den glühenden Klauen der Feuerwand. Eolind meinte, bis zur Burg die Schreie der Sachsen zu hören, deren Körper von den Flammen geröstet wurden. Brunhilde liefen Schauer den Rücken herunter. Es war ein Anblick, der ihr grimmige Zufriedenheit schenken sollte - aber nur Trübsal bot. »Sie könnten ins Meer springen.«
»Wenn sie Fische wären«, murmelte Eolind erschüttert. »Wo auch immer sie den Kopf aus dem Wasser stecken, das Feuer würde sie bereits erwarten. Ihr habt diese Prüfung wahrlich gut durchdacht.« Er hatte sich seiner Königin noch nie so fern gefühlt, und fast fürchtete er, dass ihr Verstand verblasste.
Die Schreie verstummten - von innen ausgebrannte Lungen waren nicht mehr fähig, irgendwelche Laute auszustoßen. Das Schiff der Sachsen fing nun ebenfalls Feuer. Nicht an einer Stelle zuerst, sondern auf voller Breite und Länge, als habe das Holz nur darauf gewartet, endlich trocken genug für die Vernichtung zu sein. Eolind blinzelte, als er in den Flammen die taumelnden Gestalten von ein paar Soldaten erblickte.
Langsam, fast wie behutsam geschoben, gelang dem Schiff nun doch noch die Durchquerung der Feuerwand. Als brennendes Fanal lief es in den Fjord vor der Burg ein, an den Seiten bereits schwarz verkohlte Stücke herausbrechend. Rußige Flocken stiegen in den heißen Wind. Den Strand würde der Bug des Schiffes nicht mehr berühren, bevor es zerbrach und sank, den Sachsen ein nasses Grab zuweisend.
Brunhilde war nicht zufrieden, aber doch auf eine beunruhigende Weise erleichtert.
Drei Wochen lang hatten die Burgunder ihre Grenzen geschlossen und in ehrfürchtigen Zeremonien ihres gefallenen Königs gedacht. Gundomar war der erste König des Landes, dessen Leib seine Ruhestätte in der Krypta der neu errichteten Kirche fand - in einem steinernen Sarkophag. Gleich daneben wurde der Sarg von Giselher aufgestellt. Wenngleich sein Körper nicht aus Fafnirs Klauen hatte gezerrt werden können, so verdiente sein Andenken doch, an der rechten Seite des Vaters zu ruhen.
Das Reich, das sich seit Monaten vor dem Drachen duckte, versank noch tiefer in Apathie, und das Leben seiner Bürger schien nicht mehr zu sein als die Erwartung des Todes. Das Einzige, was blühte, waren die üblen Hetzereien in den Tavernen, befeuert von zu viel Met und wilden Hirngespinsten.
Wie der Drache die königliche Schar mit einem Prankenhieb vernichtet hatte, wurde erzählt. Wie Giselher starb, sich vor den Vater werfend, während Gunther hinter einem Felsen nur das eigene Leben zu retten suchte.
Siegfried bekam weder von dem unbesonnenen Geschwätz noch von der Wahrheit etwas mit. Es scherte ihn auch wenig, denn seine Gedanken galten nach wie vor nur Kriemhild. Es drohte ihn zu
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