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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Sommer kürzer waren als manche Gelage am Hofe von Sachsen.
    Am Horizont erschien nun ein Leuchtfeuer, breit und hell, sichtbar trotz des nicht enden wollenden Regens. Edelrich drehte sich zu seinem Steuermann. Er musste laut schreien, um den Sturm zu übertönen. »Das Licht! Ist das Island oder das Ende der Welt? Beides wäre mir recht!«
    »Island müsste es schon sein!«, rief der Mann am Steuerruder. »Doch eine solch mächtige Flamme habe ich noch nie gesehen!«
    Edelrich drehte sich wieder nach vorn, und langsam schälten sich auch die Konturen des bergigen Reiches aus der trübgrauen Nacht. Es sah aus, als säße ein schwarzer Klotz im Wasser, frierend und böse, der versuchte, sich an einem Lagerfeuer zu wärmen, das er vor sich entzündet hatte. Der Anblick war so faszinierend wie erschreckend.
    Als das Schiff sich Island näherte, ließ der Sturm ein wenig nach, als wäre ein wütender Wetterring um die Insel durchbrochen. Das Grau des Meeres und das Grau des Himmels wurden wieder unterscheidbar. Das Vulkangestein der Insel jedoch blieb unnahbar und drohend.
    Edelrich erkannte, dass die Mündung des Fjords, die zu Burg Isenstein führte, von einer Flammenwand versperrt war, die heiß und grell in alle Richtungen peitschte. Das Feuer schien im Wasser geboren, und seine Zungen leckten an den Wolken. Das Schiff wirkte dagegen wie ein Halm, der im Ozean trieb. Heiße Winde ließen die Sachsen schwitzen und die Feuchtigkeit auf ihrer Haut verdampfen, bis nur noch salzige Kruste blieb. Ein paar Krieger, die dem Gott der Christen dienten, schlugen das Zeichen des Kreuzes.
    Der Prinz von Sachsen war jedoch weniger beeindruckt. Dass die Isländer mit den alten Göttern im Bunde standen und Magie und dunklen Mächten zugeneigt waren, konnte man hören, wenn man in den Tavernen des Festlands die Ohren aufsperrte. In gewissem Maße bewunderte Edelrich sogar das prachtvolle Schauspiel, mit dem die Königin von Island jeden Bewerber zu erschrecken versuchte.
    »Wir müssen umkehren!«, schrie der Steuermann und wollte das Ruder herumreißen.
    »Wenn du das Ruder drehst, schlage ich dir mit dem Schwert die Hand ab!«, bellte Edelrich.
    Trotz seiner gebildeten Art und seiner Ablehnung jedweder Barbarei war Edelrich für Wutausbrüche und Raserei bekannt, die ihn unberechenbar machten. Der Steuermann hatte keinen Grund, an der Ernsthaftigkeit der Drohung zu zweifeln. Er hielt Kurs.
    »Es ist eine Illusion - ein Spiel aus Licht und Farbe, um unsere Augen zu täuschen!«, setzte Edelrich noch hinzu, als müsse er sich selbst überzeugen. Er nahm seinen Umhang von der Schulter, hielt ihn über die Reling ins Wasser und warf ihn, voll gesogen, wie er war, über seinen Kopf. »Wer an Deck nicht gebraucht wird, soll Schutz suchen. Bei unserer Geschwindigkeit werden wir nicht lange brauchen, bis wir vor Burg Isenstein den Strand unter dem Rumpf spüren.«
    Die Soldaten, von der Harmlosigkeit der Flammenwand weit weniger überzeugt als der Prinz, beeilten sich, sich unter die Holzplanken des Decks zu kauern.
    Die Luft war nun so heiß, dass sie in den Lungen mit wütenden Krallen kratzte, obwohl die Flammenwand noch etliche Schiffslängen entfernt war.
    Edelrich verwarf die Möglichkeit, dass er sich geirrt haben könnte. Er war Odysseus selbst, von den Göttern herausgefordert, in heiliger Mission stolz den Gefahren entgegensegelnd! Der Thronfolger empfand es fast schon als Beleidigung, mit welchen Narreteien Brunhilde ihn zu schrecken dachte.
     
    Die Königin von Island stand auf der Wehrmauer und sah mit kalten Augen, wie das kleine Schiff weit unten auf die Flammenwand zuhielt. Seine Umrisse waren durch das Feuer verzerrt, als ob eine Götterfaust es in jeder Sekunde neu formte.
    »Die Langobarden vielleicht«, murmelte Eolind, »oder die Franken.«
    »Es sind die Sachsen«, knurrte Brunhilde. »Nur Thalrich konnte so schnell auf unsere Boten reagieren, und sein Reich könnte die Unterstützung Islands gegen Hjalmar gebrauchen. Zweimal hat er bei meinem Vater um einen Pakt förmlich gebettelt - nun will er ihn durch seinen Sohn erzwingen.«
    Eolind sah seine Königin durchdringend an. »Ihr könntet den Zauber beenden und das Schiff in den Fjord lassen. Niemand nähme es euch übel, wenn ihr Edelrich in Großmut lebend ziehen lassen würdet.«
    »Es sind meine Regeln«, mahnte ihn Brunhilde. »Die Boten haben sie im Wortlaut überbracht, und jeder Freier hat sie zu würdigen. Seinen Stolz durch Großmut zu brechen, das

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