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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zu finden, der ihm zuhörte - ohne aber wirklich sprechen zu wollen. Kriemhild hing ihren eigenen Gedanken nach und rang mit der Schuld, die sie sich selber an den Ereignissen gab. Gernot wollte sie nicht weiter belasten.
    Der Prinz hatte Elsas Versprechen für eine spielerische Übertreibung gehalten und sich selber gescholten, dass er sie der Prüfung für würdig hielt - aber tatsächlich fand er das blasse Mädchen mit den traurigen Augen neben einem kleinen Kessel, aus dem der Geruch frischer Kräutersuppe stieg.
    Sie stand mit dem Rücken zu ihm und schnitt ein paar Pilze in die Brühe. Vielleicht war es die Tatsache, dass Elsa ein so leichtfertig gegebenes Versprechen in Stille und Sorgfalt zu halten suchte - aber zum ersten Mal hatte Gernot das Gefühl, dass Elsa kein Rätsel für ihn war. Antworten sprangen ihn an auf Fragen, die er sich bis heute nie gestellt hatte. Warum sie scheu war in seiner Gegenwart, obwohl sie des Öfteren seine Nähe suchte. Warum seine Worte sie verletzten, wenn er meinte, nur einen harmlosen Scherz gemacht zu haben. Warum sie Kriemhild zu meiden schien, als wäre sie nicht seine Schwester, sondern eine Nebenbuhlerin. Warum ihre Augen immer traurig glänzten, als sähen sie nicht das, was war - sondern das, was nicht sein konnte.
    »Elsa . . . «, begann Gernot vorsichtig.
    Sie sah auf, und für den Moment flackerte ihr Blick, als drängten sich Tränen in ihre Augen. Doch dann atmete sie so tief ein, wie es ihr zarter Körper erlaubte. »Prinz Gernot.«
    Er deutete unsicher auf die Suppe. »Ich war nicht sicher ... es ist eine Schande, dich jeden Abend vergebens für mich kochen zu lassen.«
    Sie lächelte sanft. »Es ist keine Schande, denn um Mitternacht finden sich immer ein paar Wächter, die dankbar für die warme Mahlzeit sind.«
    Er nahm eine Holzschüssel aus dem Regal und hielt sie ihr hin. »Ich wäre auch dankbar.«
    Diesmal schien Elsa darauf zu achten, seine Hände nicht zu berühren, als hätte sie bei der Begegnung auf der Zinne eine unsichtbare Grenze überschritten, die sie nun einzuhalten gedachte. »Ich hätte Euch die Schüssel auch gebracht.«
    Gernot nickte und setzte sich an einen Tisch, der in der einfachen Küche der Bediensteten stand. »So, wie ich es sehe, gibt es ein Missverhältnis der Gelegenheiten, bei denen du meine Gesellschaft suchst und ich die deine.«
    Er hätte nicht gedacht, dass es bei ihrem fahlen Teint möglich war - aber Elsa errötete. Und die Hitze, die über seine Haut lief, verriet ihm auch ohne Spiegel, dass es ihm nicht anders ging. Um die Beklommenheit zu vertreiben, deutete er mit dem Löffel auf die Holzbank. »Es würde mich freuen, wenn du dich setzen würdest. War das Versprechen der Suppe nicht daran gebunden, sie zu teilen?«
    Sie aßen eine Weile lang schweigend, den Blick des jeweils anderen meidend. Es war eine unsichere Stille, in der das Ungesagte um sein Recht kämpfte und doch verlor.
    »Noch keine Nachricht?«, fragte Elsa schließlich.
    Gernot schüttelte den Kopf. »Es wird daran gedacht, einen Suchtrupp zusammenzustellen - aber Hagen ist der Meinung, das würde Zweifel am Sieg Gundomars säen.«

    Elsa schlug die Augen nieder. »Schwäche ... ist etwas, für das mein Vater kein Verständnis besitzt.«
    »Niemand gesteht sich gerne seine Schwächen ein - es fiel mir leichter, auf die Teilnahme an der Drachenjagd zu verzichten, als von meinem Vater zurückgewiesen zu werden.«
    »Seid Ihr betrübt, dass Ihr nicht mit dem Schwert gegen Fafnir zieht?«, wollte Elsa überrascht wissen.
    »Nein«, antwortete Gernot. »Den Mannesmut bei der Verteidigung Burgunds zu beweisen, das ist fürwahr nicht mein Begehr. Aber in Zeiten der Not an der Seite des Vaters und der Brüder zu stehen - wie könnte ich das nicht wollen?«
    »Ihr seid, wo Ihr gebraucht werdet«, flüsterte Elsa, und sie unterdrückte mühsam das Bedürfnis, ihre Hand auf die seine zu legen.
    Gernot sah sie an, und er empfand die Wärme, die von ihr ausging und die er bis heute nicht bemerkt hatte. Sie war von selbstlosem Liebreiz, von trauriger Friedfertigkeit. Der Prinz fühlte etwas, das nicht gedacht werden konnte, und wollte etwas, das nicht zu erlauben war.
    Ein einsamer Trompetenstoß brach die Stille - und mit ihr den Moment der Verbundenheit zwischen Elsa und Gernot.
    »Mein Vater!« Gernot sprang auf. Er stürmte so hastig aus dem Raum, dass er nicht einmal daran dachte, Elsa mit auf den Hof zu nehmen.
    Das junge Mädchen schüttete die Reste der

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