01 - Der Ring der Nibelungen
abzulassen. »Stirb endlich!«
Fafnir schien den Schmerz zu spüren, aber seine Bedeutung nicht zu verstehen. Wieder hob er schlenkernd den Kopf, um Siegfried abzuschütteln. Das Zittern seiner Kiefer verriet, dass er nun den Flammenodem zu gebrauchen dachte. Für einen Moment fürchtete Siegfried, doch noch im Feuer sein Leben zu lassen. Aber es war nur ein Schwall tiefschwarzen Blutes, der aus Fafnirs Nüstern sprühte und den Krieger wie warmer dunkler Regen nässte.
Ein befreites Lachen brach aus Siegfrieds Brust, er schmeckte das Sterben des Drachen wie eine reife Frucht. Die letzten Zuckungen, mit denen der Lindwurm noch im Todeskampf seinen Bezwinger zu zerschmettern suchte, waren wie ein Siegesritt.
Schließlich sank Fafnir zu Boden, sein Lebensfunken war erloschen, bevor der Schädel die Erde berührte. Siegfried, nun wieder seines geschundenen Körpers bewusst, ließ sich nach hinten fallen, vom Blut des Drachen überreichlich bedeckt. Er saß nur grinsend da, trunken von seinem ersten Sieg, der ihn auf einen Schlag zu einem größeren Helden machte als die Krieger von Burgund. Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen und zu begreifen, welche Folgen seine Tat hatte. Nur das Versprechen, rechtzeitig bei Hofe zu erscheinen, brachte ihn schließlich wieder auf die Beine. Er trat auf Fafnirs Kadaver zu, stemmte den rechten Fuß auf den Unterkiefer und zog das Maul mit beiden Händen an den Hauern auf. Dann packte er Nothungs Griff und zog es unter großen Mühen hervor.
Stolz betrachtete Siegfried die Klinge, an der das Blut des Drachen klebte. Ein Schwert für einen König, daran bestand kein Zweifel.
Erst jetzt fiel ihm auf, dass auch sein Körper von der schmierigen Masse überzogen war, die rissig und juckend zu trocknen begann. Seine Haare wurden hart wie ein Helm, und jeder Wimpernschlag zwickte unangenehm. Siegfried wollte sich gar nicht ausmalen, was das Drachenblut in seinen Wunden anzurichten vermochte. Es würde eine Wohltat sein, im ersten Bach, den er auf dem Rückweg fand, zu baden.
Es gab hier nichts mehr für ihn zu tun, also drehte er sich um in der Absicht, gen Worms zu laufen.
Nothung jedoch zog an ihm - in die andere Richtung. Nicht stark, nicht fordernd, aber doch deutlich, als wollte es ihn auf ein Versäumnis hinweisen.
Schmutzig und müde, wie Siegfried war, verweigerte er sich jeder weiteren Heldentat. Was auch immer noch im Wald zu lauern schien, es würde auf ihn warten können. Er machte drei Schritte, und Nothung hielt fast störrisch dagegen.
Sieee . . . frieee . . .
Da war es wieder - das Flüstern aus dem Wald!
Siegfried drehte sich im Kreis, mühsam gegen den Schmerz und die Verwirrung kämpfend.
Sieee . . . frieee . . .
»Wer ruft meinen Namen? Zeig dich!« Er hob das Schwert, als wolle er die Schemen um sich damit niederstrecken. Doch wo kein Gegner war, da war auch kein Sieg.
Die Umgebung verschwamm, und Siegfried musste sich auf Nothung stützen, um nicht in die Knie zu gehen. Tag und Nacht wechselten in Raserei, und die Bäume tanzten um ihn herum einen irren Reigen.
Sieeeg dem Sieeegfried . . .
Die zischelnden Stimmen wurden klarer, je verschwommener die Wirklichkeit schien. Er fühlte sich von seinen Sinnen betrogen, wie im Rausch von Trunk und Müdigkeit.
Kehr heim . . . der Preis ist dein . . .
Auch Nothung reagierte. Doch statt seinem Herrn den Weg in die Sicherheit zu weisen, zerrte es in mattem Glanz zum Höhleneingang, Siegfried seinen Halt raubend. »Ich . . . will . . .«, stammelte er, schwacher Spielball der Magie, die sein Schwert und den Wald zum Streit getrieben hatte.
Kehr heim . . . zu Kriemhild . . .
Das Bild der Prinzessin vor Augen und im Herzen, zog Siegfried ächzend die Klinge davon. Sein Versprechen war gehalten, für alles Weitere hielt sein Leben noch genügend Tage bereit.
Sooo . . . recht . . . geh . . . heim . . .
Es war nur ein kleiner Gedanke, der ihn zögern ließ, der stechend seinen Geist marterte. Winzig der Gedanke, zu klein, um die Verlockung, diesen düsteren Ort zu verlassen, wirksam zu bekämpfen. Doch der Gedanke gab nicht auf, wurde zum Gefühl, zur Ahnung, zum Zweifel.
Schau . . . nicht . . . zurück . . .
Es war die Frage der Loyalität, die sich durch Schmerz und dumpfen Schwindel biss. Die fremden Stimmen, gezischelt aus dem Wald von unsichtbaren Mündern - sie wollten ihn loswerden. Nothung aber, sein Erbrecht und sein treuer Diener, drängte
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