Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
ihn zu bleiben.
    Eile  . . .  dich  . . . 
    Siegfried erinnerte sich an Regins Worte: Geh mit ihm -nutze seinen Drang. Und er drehte sich um, dem Begehren des Schwerts folgend.
    Jeder Schritt, den er auf die Höhle zumachte, schmerzte mehr als der vorherige. Seine Fingernägel schienen zu brennen, seine Lunge wurde wie von Götterhand gepresst, und flirrende Lichter vor seinen Augen waren wie Dolche, die schneidend in seinen Kopf fuhren. Die Stimmen, deutlich wütender nun, taten ihren Unmut kund.
    Kehr um  . . .  kehr  . . .  um!
    Es war, als müsse Siegfried gegen einen unsichtbaren Sturm antreten, und sein verwirrter Geist hieb ein paar Mal mit dem Schwert durch die Luft. Er stolperte mehr, als er lief, aber sein Ziel blieb die einladende Schwärze von Fafnirs Höhle.
    Geh als Held! Oder stirb als Narr!
    »Nun zeigt ihr euer Gesicht, auch wenn ich es nicht sehen kann«, stieß Siegfried mühsam hervor. »Doch den Bezwinger des Drachen könnt ihr nicht schrecken! Mein Weg ist mein Recht!«
    In dem Moment, da er die Schwelle zur Höhle übertrat, klärten sich schlagartig seine Gedanken, und die Welt um ihn herum nahm wieder verlässliche Formen an. Die Stimmen verwehten.
    Siegfried legte den Kopf an den kalten, feuchten Stein, seine Kräfte ebenso wie seine Gedanken sammelnd. Er spuckte aus, und es kam Blut. Ihm war klar, dass Fafnir ein Untier aus Zaubermacht gewesen war, erschaffen von dunklen Herrschern, die zwischen den Welten wandelten. Aber erst jetzt begann er, die Gefährlichkeit dieser Kräfte zu erahnen. Der Drache war greifbar gewesen, Fleisch und Knochen. Ein Ungetüm zwar, aber eines, dem man nachstellen konnte. Doch diese seltsamen Stimmen, die mit seinem Geist spielten - sie waren mit Klingen nicht zu schneiden und mit Hämmern nicht zu brechen. Siegfried konnte sich ihnen widersetzen, aber besiegen konnte er sie nicht.
    Doch nun schwiegen sie.
    Er fragte sich, ob es der Stein der Höhle war, der die unseligen Stimmen bannte. Vorsichtig machte er ein paar Schritte und bahnte sich den Weg in die Dunkelheit.
    Hatte Siegfried auch für den Tag schon genug Wunder gesehen, so hielt der Felsengang noch weitere bereit. Obwohl keine Fackel brannte und kein Schacht Sonnenstrahlen hereinließ, erkannte er die nackten Wände und sogar die in heftigem Winden abgerissenen Drachenschuppen, die wie schwarze Lindenblätter auf der Erde verstreut lagen.
    Kein Licht - und doch keine Dunkelheit.
    Siegfried wechselte das Schwert von der rechten in die linke Hand, und noch bevor seine Finger zupackten, erinnerte er sich an die Wunden, die sein Sturz von Fafnir in die linke Schulter gerissen hatte. Er erwartete, dass die schlaffen Muskeln Nothung fallen lassen würden. Doch zu seiner Überraschung war der linke Arm nicht weniger schnell und stark wie der andere.
    Er richtete sich etwas auf, streckte den Rücken, belastete die Gelenke. Keine Schmerzen. Weder die Schulter noch die geschundenen Beine stachen in Protest.
    Zufrieden mit diesem scheinbaren Geschenk der Götter wagte sich Siegfried weiter vor. Der Gang führte in gleichmäßigem Durchmesser abschüssig tief in den Berg, dabei ein- oder zweimal leichte Kurven beschreibend. Es war schwer, die Länge des Weges zu bestimmen.

    Schließlich wurde es heller, und wahres Licht verstärkte den unwirklichen Glimmer dieser fremden Welt. Es war ein Glitzern, ein Funkeln, das an Feuer erinnerte, das sich in rotem Wein spiegelte.
    Der Gang endete in einem Felsendom. So hoch wie die Mauern Burgunds war er an seiner höchsten Stelle. So groß war sein Durchmesser, dass Fafnir sich vom Maul bis zur Schwanzspitze hätte strecken können, ohne die glatt gescheuerten Wände zu berühren. Siegfried wagte nicht einmal zu zweifeln, dass der Drache hier zum Fluge vom Boden hätte abheben können. Ehrfürchtig ließ er Nothung sinken, und als seine Spitze die Erde berührte, hallte der Klang hundertfach.
    Es war jedoch nicht der Felsendom selbst, der Siegfried die Sprache verschlug. Es war das Gold.
    Münzen, Ketten. Raue Stücke, kleine Klingen. In Diademen mit Juwelen, als Schilde zu Spiegeln poliert. In schneeweiße Stoffe eingewirkt und als Schüsseln und Kelche auch ohne Inhalt kostbar. Nicht aufgehäuft wie ein Schatz, den es zu horten galt, lag es überall herum, seine eigenen Berge und Täler bildend. An manchen Stellen wuchs die Pracht mannshoch in die Höhe, aber niemals fiel sie weit genug herab, um auch nur einen Handbreit Boden freizugeben. Die Wände spiegelten

Weitere Kostenlose Bücher