01 - Der Ring der Nibelungen
jetzt sagen: Der Krieger lebt im Unglück, denn nur Kriege füllen ihn mit Leben. Seid froh, dass Euer Geschick im Frieden liegt.«
»Und dein Geschick, mein guter Siegfried? Als Schmied werde ich dich kaum arbeiten lassen, und aus dem Kellergemach musst du umziehen in einen Raum mit Bett und Dienern. Darauf bestehe ich - Burgund behandelt seine Helden gut.«
Der Xantener winkte ab. »Verschont mich mit weichen Kissen und eitler Faulheit. Mein Durst nach Blut mag gestillt sein - mein Durst nach Gerechtigkeit ist es nicht.«
Gunther ahnte, wohin das Gespräch führte, und auch wenn er es lieber im nüchternen Tageslicht geführt hätte, fand er doch keinen Grund, es Siegfried zu verweigern. »So spricht der Sohn von Xanten. Als Prinz gab ich dir ein Versprechen. Nun, als König, will ich es halten, soweit es mir möglich ist. Also sprich, denn heute Abend sind meine Ohren nicht vom Geplapper der Berater und Bittsteller gefüllt.«
Siegfried lehnte sich in seinem Stuhl zurück, die Beine gegen die Tischkante vor sich gedrückt. Er gab sich einen letzten Atemzug, sein Anliegen noch einmal zu überdenken, wie er es wieder und wieder getan hatte, während er den Schlitten nach Worms geschleift hatte.
Gunther und Hagen wussten, dass er der Erbe von Xanten war. Als Befreier von Burgund war es kaum möglich, dass sie ihm die Hand Kriemhilds verweigerten. Aber er wollte mehr - er wollte das Versprechen halten, als Held und König die Prinzessin zu ehelichen. Und der Sieg über Fafnir hatte ihm eine unerwartete Tür dorthin geöffnet.
Es war an der Zeit, sich zu erklären.
»Ich habe mein Leben als Schmied und einfacher Mann gelebt«, begann er. »Doch seit ich weiß, dass Xanten mein Erbrecht ist, brennt mein Blut.«
»Und was immer ich dafür tun kann, dass du den Thron besteigst, es wird geschehen«, versicherte Gunther.
»Dann lasst uns gegen Hjalmar ziehen!«, rief Siegfried nun. »Den Schlächter fordern, das Schicksal erfüllen!«
Gunther verschluckte sich fast an dem Rotwein, den er gerade trank. Er sah Siegfried an, als habe dieser im Kampf mit dem Drachen seinen Verstand verloren. »Burgund soll gegen Dänemark und Xanten ziehen?«
Siegfried beugte sich nun vor, den Ton verschwörerisch. »Xanten würde kaum dem Thronräuber ergeben zur Seite stehen. Und es ist auch nicht die offene Schlacht, die ich suche.«
Gunther war schlagartig wieder nüchtern, der zufriedene Rausch verflogen. Fast schon ärgerte es ihn, dass Hagen mit seiner Vermutung Recht gehabt hatte. »Dieses Reich, dessen Wohl ich verpflichtet bin - es könnte weder Dänemark noch Franken auf dem Felde trotzen. Die Hunnen würden es ebenso überrennen wie die Sachsen. Weder an Waffen noch an Soldaten sind wir reich genug.«
Siegfried sah Gunther an, als wäre jedes Wort des Königs barer Unsinn. Seine Augen blitzten vor Tatendrang. »Ich bitte nicht um die Schlacht - nur um den Feldzug. Und der nötige Reichtum soll Eure Sorge nicht mehr sein.«
Gunther schlug seinen Kelch auf den Tisch. »Es ist genügend angedeutet worden, Siegfried! Wenn du mein Wort einklagst, so tue es mit klarer Sprache!«
Siegfried stand auf und ging zu dem Schlitten, der vergessen neben dem Portal stand, wo die Soldaten ihn abgestellt hatten. Siegfried warf den faulenden Drachenkopf achtlos beiseite. Dieses Geschenk hatte seine Schuldigkeit getan, es war Vergangenheit. Aber die Erde, die nun stinkend auf dem Schlitten klumpte, sie barg die Zukunft. Er zerrte den Schlitten in die Mitte des Saals, unter Gunthers ungeduldige Augen. »Es liegt mir fern, Euch und Burgund in einen Krieg zu ziehen, der das Leben vieler Männer kosten würde. Doch kann ich schlecht zum Hofe Hjalmars marschieren und dort mein Recht einfordern. Ein Königshaus muss meinen Anspruch tragen.«
Siegfried packte mit beiden Händen unter das Holz und sprach weiter, während er den Schlitten anhob. »Wenn Burgund mir in Freundschaft beisteht, werden seine Legionen goldene Speere tragen!«
Mit einem Ruck warf er den Schlitten um, die Erde auf den Boden speiend. Zwischen den dunklen Brocken blitzte es hell auf, und metallenes Klingen ertönte, als Münzen und Geschmeide in großer Zahl den Stein berührten.
Nur wenig hatte Siegfried auf dem Schlitten unterbringen können, und doch war es schon mehr, als ein ganzes Heer kosten würde. Es war mehr, als die meisten Reiche in ihren Schatzkammern hatten.
Gunther stand auf, kam näher und bekreuzigte sich, sichtlich um Fassung ringend. »Wie kommst du
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