01 - Der Ring der Nibelungen
wie die Gemächer der Königsfamilie, aber ebenso war es kein Vergleich mit dem Kellerraum, den er seit Wochen mit Regin geteilt hatte. Seinen Beutel mit den wenigen Dingen, die er besaß, hatte er auf das Bett geworfen, und dabei war der Tarnhelm herausgefallen. Er sah das wundersame Ding lange an, und es schien ihn zu Schabernack und feiger Schleicherei zu locken. Dann packte er es beiseite.
Er nahm die Kleidung in Augenschein, die man für den Helden geschneidert hatte, der nun seine Tage nicht mehr am Amboss verbrachte. Die Hose war aus weichem Leder, und die weißen langen Hemden band er in der Körpermitte mit einem prächtigen breiten Gürtel, der mit Metallstücken besetzt war.
Er trat an sein Fenster und genoss die Aussicht auf den Hof. Burgund fühlte sich wie sein Zuhause an, und nur noch selten dachte er an die Schmiede im Wald, in der er aufgewachsen war. Je höher er im Ansehen bei Hofe stieg, desto selbstverständlicher kam es ihm vor. Eine ruhige Zuversicht kehrte in seine Seele ein, dass er gewiss bekommen würde, was ihm zustand.
Er konnte sehen, wie die Vorbereitungen für den kommenden Feldzug begannen. Boten ritten ein und aus, die Pferdehüter kamen kaum nach, frische Tiere bereitzustellen. Immer wieder eilten Handwerker aus Worms herbei, auch Schneider und Ledermacher, um Aufträge für Uniformen und Stiefel anzunehmen. Eine gespannte Erwartung breitete sich aus. Es war ein stolzer Anblick, voller Zielstrebigkeit und Tatendrang.
Wie Ameisen krauchten die Männer und Frauen des Hofstaats herum, Waren umherschleppend, immer dieselben Wege austretend. Ihre Gespräche waren kurz, knapp, dem gemeinsamen Ziel verpflichtet.
Elsa stand auf der Wehrmauer und blickte ebenso angewidert wie entsetzt darauf hinab. Bald würden die Schwerter klappern, die Hufe im Einklang schlagen und die Trompeten den Marsch blasen. Krieg. Sie hasste schon das kalte, harte Wort. Es schmerzte auf der Zunge, kratzte im Hals.
Jemand trat von hinten an sie heran, und ein Kinn legte sich sachte auf ihre linke Schulter. Eine Hand berührte sanft ihre Hüfte. Sie wagte es nicht, sich umzudrehen, aber aus dem Augenwinkel sah sie das Gesicht Gernots, das direkt neben ihrem ruhte, seine Wange fast die ihre berührend. Er schaute ebenfalls auf den Hof hinunter. »Schreckt dich der Anblick so wie mich?«
Sie nickte, redlich bemüht, ihren rasenden Herzschlag zu verbergen. »Ich sehe die Gesichter und habe schon die Ahnung von Blut, das bald in ihre toten Augen laufen wird.«
Er legte auch die andere Hand an ihre Hüfte und drehte sie zu sich um. »Auch bei mir?«
Elsa hätte alles darum gegeben, nicht in seine klaren Augen schauen zu müssen, während sie nach Worten rang. »Ihr . . . Ihr werdet auch gegen Dänemark ziehen?«
Gernot nickte. »Der König und der Thronfolger, so will es das Gesetz. Zwar ist Kriemhild älter als ich, aber als Frau wird sie das Schwert nicht heben müssen.«
Hagens Tochter wurde bleich, und ihre zarte Gestalt wankte, sodass Gernot sie vorsichtig am Arm ergriff. »Was ist mit dir?«
Sie schüttelte den Kopf und stützte sich mit der Rechten an der Mauer ab. »Ihr werdet . . . in den Krieg ziehen?«
Der Prinz lächelte im Versuch, sie ein wenig aufzuheitern. »Mein Bruder verspricht mir, dass die Schwerter ungezogen bleiben. Und das ist gut so - ich würde mich vermutlich selbst verstümmeln, wenn man mir eine Klinge gäbe.«
Elsa fühlte sich dumm und kindisch, so in Angst verfallen zu sein. »Ihr müsst entschuldigen, mein Prinz . . . der Gedanke an den Krieg ängstigt mich.«
Sie blickte so entschieden zu Boden, dass Gernot ihr Kinn vorsichtig anhob. »Darf ich hoffen, dass deine Sorgen mir gelten - und dass meine gesunde Rückkehr sie lindern wird?«
»Ihr wünscht meinen Segen und meine Gebete für die Reise?«, fragte sie. »Aber wird nicht Kriemhild . . .«
»Kriemhilds Gebete werden sicher dem jungen Schmied gelten, der ihr Herz seinen Besitz nennen kann«, flüsterte Gernot.
»Ich bete nicht«, gestand Elsa, und in diesem Moment schien es sie selbst zu schmerzen. »Dieses Versprechen kann ich euch also nicht mit auf den Weg geben.«
Er atmete tief ein. »Dann vielleicht - deine besten Wünsche?«
Sie sah ihn an, langsam ihre Sicherheit wiederfindend. »Ich werde weiter für Euch die Suppe kochen. Jeden Abend. Bis zu Eurer Rückkehr. Wenn es sein muss, den Rest meines Lebens.«
Sie sahen einander an, und es war der vielleicht längste Moment, den der Hof von Burgund jemals
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