01 - Der Ring der Nibelungen
erlebt hatte.
Laurens war alt, aber sein Blut war noch nicht schal, und es kochte würzig angesichts der Vorbereitungen in ganz Burgund. Der Geruch von Krieg lag in der Luft - ein Krieg, der vor fast zwanzig Jahren begonnen hatte und nun endlich mit dem Sieg Xantens enden würde. Hjalmars Herrschaft war für ihn nur ein vorübergehendes Ärgernis gewesen, ein kranker Tag in der glorreichen Geschichte des Landes am Niederrhein. Laurens scherte sich nicht um Hunnen und Burgunder, um Sachsen und Franken. Sie waren nur Mittel zum Zweck, Siegfried seinen Thron zu beschaffen.
Es hatte lange genug gedauert. Dieser Narr Regin wäre fast damit durchgekommen, Siegfried sein Erbrecht vorzuenthalten. Es war nur der Verkettung glücklicher Umstände zu verdanken, dass Siegfried nun mit Burgunds Hilfe Hjalmar stellen konnte.
Laurens biss in den Apfel, den er von der Wormser Marktfrau gekauft hatte, und schritt gedankenverloren über die Holzbohlen, die am Rheinufer zusammengeschnürt nebeneinander lagen, um anlegenden Schiffen einen festen Platz für das Verladen der Waren zu bieten. Nach einer Weile hatte er Sand und Kies unter den Füßen, schließlich Gras. Als die Stimmen und Geräusche der Stadt leiser wurden, stapfte er zum vereinbarten Treffpunkt in den Wald.
Regin hockte auf dem Stamm eines umgestürzten Baumes.
»Ich hoffe, du hast nicht zu lange auf mich gewartet.«
Der Schmied schüttelte den Kopf. »Die Pflicht kennt keine Zeit.«
Laurens mühte sich nicht einmal, die vagen Worte des kleinwüchsigen Mannes zu verstehen. »Du solltest dich freuen - wenn es den Göttern gefällt, wird Siegfried bald den Thron seines Vaters besteigen. Dann ist der Plan aufgegangen, den wir vor seiner Geburt schmiedeten.«
Kopfschüttelnd erhob sich Regin und lächelte spöttisch. »Du hast es damals nicht verstanden, und du verstehst es immer noch nicht. Es war nicht unser Plan. Es war dein Plan. Vielleicht auch noch der Plan Siegmunds. Aber glaube mir - weder Sieglinde noch ich selbst haben ihm jemals zugearbeitet.«
Laurens kratzte sich am Stumpf seines linken Arms, sein zerfurchtes Gesicht spiegelte Verachtung wider. »Das macht euch zu nichts weniger als Verrätern - an der Sache wie an Xanten. Wäre Siegfried von mir erzogen worden, er würde euch selber mit dem Schwert dafür richten.«
Regin kam unbeeindruckt näher. »Wäre er von dir erzogen worden, hätte er das Mannesalter nicht erreicht.«
»In diesen Gedanken magst du abends deine Lügen packen, damit dein Gewissen dir den Schlaf gestattet«, knurrte Laurens. »Aber König Siegmund selbst hatte dich für die Aufgabe erwählt, seinen Sohn auf den Tag vorzubereiten, an dem Rache Nothungs Klinge färbt. Was wirst du sagen, wenn du den Triumph in den Augen des rechtmäßigen Königs siehst?«
Regin hob die Schultern. »Ich werde nicht dabei sein. So, wie ich das Ende von Xanten nicht mit ansehen wollte, so wird mein Auge nicht das Ende von Burgund streifen. Und deines auch nicht, alter Weggefährte.«
Laurens hatte weder die schmale Klinge gesehen, noch die schnelle Bewegung, mit der Regin sie ihm zwischen die Rippen gestoßen hatte. Er stand einen Herzschlag lang da, überrascht und dann doch irgendwie erleichtert.
»Das würdige Ende . . . eines Kriegers«, keuchte er zwischen Blutstropfen aus seinem Mund.
Regin legte ihm die Hand auf die Brust. »Du hättest weder Siegfried noch Gunther sagen dürfen, wessen Blut in den Adern des Jungen fließt. Was kommt, hätte verhindert werden können.«
Er drückte den toten Laurens von sich weg, wobei er seinen Dolch aus der Wunde zerrte. Die Leiche fiel an einer Stelle zu Boden, die Regin vorab so ausgesucht hatte, dass kaum jemand sie finden würde.
Er reinigte die Klinge im Gras.
Siegfried mühte sich zu schlafen, aber je näher der Tag des Auszugs kam, desto ruheloser wurde sein Geist und desto mehr zitterte ihm die Hand. Er verbrachte heimliche Nachmittage damit, im Wald Nothung in Baumstämme zu schlagen, die er oft genug dabei durchteilte. Sein Körper sammelte die Kraft zu ungeduldig, und es war kaum möglich, sie zu lenken.
Angezogen lag er auf dem Bett, im Kopf wieder und wieder die Worte, die er Hjalmar entgegenschleudern würde, und den Hieb, der ihm Xantens Thron sicherte. Seine Ungeduld war so groß, dass er meinte, sich nach Dänemark schleichen zu müssen, um den König alleine zu stellen.
Dabei liefen die Vorbereitungen bei Hofe prächtig. Söldner kamen in Hundertschaften, darunter Hunnen,
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