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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Brunhilde.
    Er sah die Truhe und trat mit drei so eiligen Schritten heran, dass Brunhilde erschreckt zur Seite wich. Ein, zwei Griffe, und er wusste, dass der Helm fehlte. Wütend hieb er mit der Faust gegen das Holz.
    Brunhilde war erstaunt, wie strikt er ihre Anwesenheit ignorierte, wie sehr sein Blick auf die Truhe gerichtet blieb. Es tat ihr Leid, so hinter seinem Rücken gehandelt zu haben, nur auf das Wort des Geiers Hagen hin. Hätte Siegfrieds Versprechen, sie zu ehren, nicht umgekehrt verlangt, dass sie offen mit ihm über den Vorwurf des Verrates sprach, um ihm die Chance zur Rechtfertigung zu geben?
    Brunhilde streckte den Arm aus, um ihn beruhigend auf seine Schulter zu legen. Doch der Arm, den sie fest an ihrer Schulter spürte, war nicht in Fleisch und Kleid zu sehen! Sie blickte an sich herab und fand ihren Körper als durchsichtigen Schemen. Erschreckt, doch nicht erschreckt genug, um aufzuschreien, tastete ihre Hand nach dem Helm auf ihrem Haupt. Das Gold kribbelte, als würde es zittern.
    Siegfried stand nun sichtlich erregt auf. Mit der Hand fuhr er sich durch die Haare, und wütend stampfte sein Fuß auf den Boden. Dann ging er schnell davon, die Tür zur Schmiede kräftig zuschlagend.
    Ehrfürchtig nahm Brunhilde den Helm ab und sah fasziniert zu, wie ihre Hände mit dem goldenen Geflecht herbeischimmerten. Aufgewachsen mit der Lehre der alten Götter, fand sie den Tarnhelm weniger verwunderlich als sein Besitz in Menschenhand.
    In ruhigen Gedanken setzte sie zusammen, was geschehen sein musste. Keine Lücken blieben mehr, keine offenen Fragen. Was ihr vorher seltsam und unerklärlich erschienen war, war nun offensichtlich. Der Verrat zweier Männer bei zweierlei Gelegenheit war nicht zu leugnen, und die Worte von Liebe und Respekt schmeckten bitter nach Posse und Betrug.
    Brunhildes Beine knickten ein, und ihr schlanker Leib fiel auf den Boden der Schmiede, um die Schmach in Ohnmacht zu ertragen. Das Werkzeug der Hinterlist noch in der Hand, lag sie nur wenige Augenblicke da, im Staub, wie es sich für eine hintergangene Sklavin gehörte.
    Sie sah sich reiten auf einem kleinen schwarzen Pferd auf weißen Wolken, und unter ihr brannte Island. Kalter Wind trieb aufwirbelnde Asche in ihr Haar. Blitze hetzten sie voran, Walhall erschien am Horizont, und Walküren winkten mit ihren Speeren. Aus den Wolken wurde Blut, und es spritzte unter den Hufen. Arme griffen nach ihr von überall her, rissen an ihrem Kleid, schnappten nach ihrem Fleisch.

    Unter Donner packte sie ihr Schwert, als Nebelschwaden sich wie Stricke um ihre Glieder legten. Das Pferd verschwand, und mit ihm die Bewegung. In Trümmern fand sich Brunhilde wieder, schwarze Vulkanbrocken und heller Stein in der Vernichtung vereint.
    Als sie die Augen wieder aufschlug, waren diese von Tränen feucht, aber auch vor Entschlossenheit lodernd. Im Traum war die Isländerin in ihr wieder erwacht, der Gedanke an Rache hatte sich aus seinem Versteck getraut, und beide waren einen Pakt eingegangen. Sie machte sich auf den Weg zum Thronsaal, alle Hofdamen und Soldaten ignorierend, die sie anzusprechen wagten. Das Portal zog sie mit solcher Kraft auf, dass die Scharniere stöhnten, und niemand außer Gunther und Hagen wagte es, sich ihrem heiser gebrüllten Befehl zu widersetzen. »Fort! Alle!«
    Die Günstlinge und Bediensteten des Hofes verschwanden so schnell, als wären sie selbst im Besitz vieler Tarnhelme. Gunther und Hagen sahen sie an, schweigend und unbeholfen angesichts dieses unerhörten Ausbruchs. Der König fühlte sich ertappt, während der Ratgeber hinter einer gefühllosen Maske zu verbergen suchte, dass sein Plan die Ereignisse der nächsten Tage bestimmen würde.
    Kaum war der Saal bis auf die drei Akteure leer gefegt, da stellte sich Brunhilde vor die Estrade, auf der ihr Mann im Thronsessel saß. Sie deutete anklagend mit dem Finger auf ihn. »Du hast es gewusst - doch ich bezweifle, dass du den Mut gehabt hast, es zu planen.«
    Gunther sah die Tricksereien der letzten Tage unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrechen, aber er mühte sich, den Anschein der Ehrbarkeit aufrechtzuerhalten. »Bitte, Brunhilde, nimm erst einmal Platz. Was auch immer du zu wissen meinst . . . «

    Statt einer Antwort packte Brunhilde einen der Langtische und warf ihn mit einem wütenden Schrei so heftig in die Höhe, dass er sich überschlug, bevor das Holz auf dem Boden barst.
    Der König versuchte es mit einer Autorität, die ihm schon lange abhanden

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