01- Die Normannenbraut
sein Zelt. Dort traf er ein Mädchen an, eine von vielen Dirnen, die das Heer von einem Schlachtfeld zum anderen begleiteten. Da er auf seine eheliche Treue Wert legte, musste er sie enttäuschen. »Geh mein Kind«, sagte er sanft, »für deine Dienste habe ich keine Verwendung.«
Sie war zu jung und zu hübsch, um ein solches Leben zu führen. Das Blut stieg ihr in die Wangen. Offensichtlich glaubte sie, er hielte sie für unwürdig, sein Lager zu teilen.
Da er sie nicht kränken wollte, machte er ein Zugeständnis. »Wenn du mir Wasser bringen würdest … Ich möchte den Gestank des Bluts von meinen Händen waschen.«
»Natürlich, Mylord«, erwiderte sie schüchtern. »Ich kann auch Eure Schultern mit einer Salbe einreiben, das würde die Anspannung lindern.«
»Das wäre sehr freundlich von dir.« Aed beobachtete, wie sie Wasser brachte und seine Hände hineintauchte. Mit ihrem schwarzen Haar und den grünen Augen erinnerte sie ihn ein wenig an Erin, wenn sie auch längst nicht so schön war wie seine jüngste Tochter. Sie begann, seinen Nacken und die Schultern zu kneten, ein wachsendes Wohlgefühl erfasste ihn, und er schloss die Augen, in Gedanken immer noch bei Erin. Wie wundervoll würde es sein, heimzukehren … Doch daran durfte er noch nicht denken, zuerst musste ein Friedensvertrag mit Olaf dem Weißen zustande kommen.
Plötzlich versteifte er sich. Vor seinem geistigen Auge sah er seine Tochter und den norwegischen Wolf nebeneinanderstehen. Als Vater litt er Höllenqualen - als Ard-Righ wusste er, was er zu tun hatte, welches Bündnis er eingehen musste, ein Bündnis, das niemals zerreißen konnte.
Er verbrachte eine schlaflose Nacht voller Verzweiflung. Im Morgengrauen wurden Boten hinter die Mauern von Dubhlain geschickt. Der Wolf erklärte sich bereit, mit Aed zu verhandeln, und ein unglücklicher Niall ritt nach Tara, um seine Schwester Erin zu holen. Das Bündnis war geschlossen.
Auf dem Weg nach Dubhlain versuchte es Erin mit jeder weiblichen List, ihren Bruder zu einer Erklärung zu bewegen. Sie schmeichelte ihm und schmollte, flehte ihn an und vergoss sogar ein paar Tränen, konnte ihm aber kein Sterbenswörtchen entlocken.
Aed hatte ihr befohlen, so zu reisen, wie es sich für eine Prinzessin geziemte, und ihr Gefolge bot tatsächlich einen eindrucksvollen Anblick. Die schönsten Seidengewänder und Pelze schmückten die Männer und Frauen, auch die Pferdedecken waren aus Seide, mir Silber- und Goldfäden durchwoben. Erins blauer Umhang fiel in weichen Falten über die Kruppe ihrer Stute, mit schneeweißem Fuchsfell besetzt. Über dem Pelzkragen schimmerte ihr Haar wie Rabenflügel. Sie hatte Angst, und gerade deshalb reckte sie das Kinn noch höher als sonst.
Als Niall von Ulster ihre würdevolle Miene betrachtete, die Wangen von -der frischen Luft gerötet, erschien sie ihm schöner denn je. Er fühlte sich wie ein Verräter. Aber seine unwandelbare Treue zum Vater und seine eigene Überzeugung von der Richtigkeit des Beschlusses zwangen ihn, das Geheimnis zu wahren. Er bezweifelte nicht, dass seine Schwester sofort einen Fluchtversuch unternehmen würde, hätte sie auch nur die leiseste Ahnung, welches Schicksal ihr bevorstand.
»Niall?« Mit sanfter Stimme unterbrach sie seine Gedanken, und er wappnete sich gegen einen neuen Ansturm von Fragen.
»Ja, Erin?«
“Falls ich irgendwie Vaters Groll erregt habe, so ginge es mir viel besser, wenn ich wüsste, womit. O Niall, bitte … «
»Ich bin nur sein Bote, und ich weiß wirklich nicht, warum er dich zu sich beordert«, log er. »Tut mir leid.« Wie schmerzlich ihn das alles bedrückte, würde sie wohl niemals erfahren.
Die Reise dauerte mehrere Tage. Nachts wurden sie in den Dörfern, die am Weg lagen, freundlich aufgenommen. Während sie sich dem irischen Lager vor Dubhlain näherten, versuchte Erin, ihre Angst zu unterdrücken. Falls der Vater von ihrem Doppelleben erfahren hatte, würde er sie stundenlang anschreien - aber was konnte er sonst schon tun? Vielleicht würde er ankündigen, er wolle sie in ein Kloster stecken oder sie mit einem mächtigen, aber widerwärtigen König verheiraten, doch eine solche Drohung niemals wahr machen. Immerhin hatte sie nichts Unrechtes getan, sondern als Goldene Kriegerin seine Stadt Tara beschützt, während er den Wikingern gegenübergetreten war.
Von einem Hügel aus blickte sie auf Dubhlain hinab, vor dessen Mauern sich die irischen Zelte bis zum Horizont erstreckten. Noch viel
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