01- Die Normannenbraut
größer als das Lager war die Stadt, in der sich prachtvolle Gebäude aus Stein und Holz erhoben.
Water wird dich sofort sehen wollen«, erklärte Niall und spornte sein Pferd an. Erins Stute folgte ihm den Hang hinab. Während sie zwischen den Zelten hindurchritten, nickte die Prinzessin den Männern zu, die sich respektvoll verneigten. Sie versuchte zu lächeln, aber plötzlich wünschte sie sich nichts sehnlicher, als umzukehren, im Gefolge nach ihrer Schwester Bede zu suchen und ihr alles anzuvertrauen. Vielleicht konnte die Nonne den Allmächtigen sogar veranlassen, ein Wunder zu bewirken und sie beide blitzschnell nach Tara zurückzubefördern …
An Nialls Seite ritt Erin zum Zelt des Vaters, das etwas abseits von den anderen stand. Das Gefolge blieb zurück. Er schwang sich aus dem Sattel und half ihr vom Pferd. Als sie das Mitgefühl in seinen Augen las, wurde sie von neuer Angst erfasst. Der Ard-Righ musste tatsächlich sehr zornig sein, wenn er seine Tochter hierherbeordert hatte, in die unmittelbare Nähe des Feindes. Doch dann stieg auch in ihr Wut auf. Ich bin es, die verraten wurde, dachte sie. Seit Wochen bleibt das riesige Heer meines Vaters dem Wolf auf den Fersen - und tut nichts, um ihn aus unserem Land zu verjagen. Stattdessen war anscheinend ein Waffenstillstand zustande gekommen. Zumindest hatte Niall irgendetwas dergleichen gemurmelt.
Sie schloss kurz die Augen, dachte an jenen Tag im Wald, am Ufer des Bachs. Hätte sie damals nur ihr Schwert durch Olafs Kehle gestoßen … Wenn sie ihn wiedersah - würde er sich an sie erinnern? Höchstwahrscheinlich, nachdem sie den schwerverletzten Mann verächtlich beschimpft und dann niedergeschlagen hatte, um ihm zu entkommen … Krampfhaft schluckte sie und rückte ihren schönen Umhang zurecht.
Nein, sie würde ihn ganz sicher nicht sehen. Selbst wenn ihr Vater einen Waffenstillstand mit ihm geschlossen hatte, würde er sich niemals mit diesem Barbaren an einen Tisch setzen und von seiner Tochter auch nicht erwarten, dass sie die Wikinger gastfreundlich empfing warum immer er ihr auch grollen mochte.
»Geh hinein«, forderte Niall sie leise auf.
»Kommst du nicht mit?« fragte sie in scharfem Ton.
Water wünscht, dich allein zu sprechen.« Mit diesen Worten stieg er wieder auf sein Pferd, und sie holte tief Atem.
Dann zog sie die Zeltplane beiseite und trat ein. Ihr Vater saß hinter einem roh gezimmerten Schreibtisch und studierte Pergamente. Sein violetter Umhang hing von den Schultern bis zum Boden hinab. Als er den Kopf hob, drohte ihr das Herz stehenzubleiben. So durchdringend hatte er sie noch nie angesehen. Aber warum? Er war doch ihr Vater. Dachte er wirklich nicht an all das Gute, das die Goldene Kriegerin vollbracht hatte, sondern nur an den Verstoß gegen das Adamnan-Gesetz?
Wären wir doch in Tara, dachte sie, nicht hier vor der Wikingerfestung, dann würde ich zu ihm laufen, ihn umarmen, küssen und ihn um Verzeihung bitten … Nein, nicht einmal in Tara könnte sie das, nicht angesichts seiner furchterregenden Augen, der schrecklichen inneren Spannung, die ihn zu beherrschen schien.
Bedrückt presste sie eine Hand auf ihre Brust, verneigte sich tief und ehrerbietig. »Mein Vater, ich bitte dich demütig um Vergebung. «
»Wofür?« Verwirrt hob er die Brauen.
Er weiß es nicht, sagte sie sich und fürchtete, vor Erleichterung in Ohnmacht zu fallen. Aber warum hatte er sie dann in sein Kriegslager bestellt? Ohne aufzublicken, erwiderte sie: »Für alles, was ich getan haben mag, um deinen Zorn zu erregen.«
»Du hast mich nicht erzürnt, Erin.« Nun klang seine Stimme so unbehaglich, dass sie erstaunt den Kopf hob. Er starrte auf seine Pergamente. »Ich habe dich kommen lassen, um dich zu verheiraten.«
»Aber … «
»Kein aber!« brüllte Aed unvermittelt. »Was deine Verehelichung betrifft, habe ich mich lange genug großzügig und nachgiebig verhalten, meine Tochter.«
Sie wollte aufbegehren, doch dann hielt sie inne. Wenn er sie nun Fennen mac Cormac versprochen hatte? Natürlich! Beinahe lächelte sie, als sie sich an ihre Träume auf der Schafweide erinnerte. Vielleicht war es endlich an der Zeit, ein friedfertiges, häusliches Leben zu beginnen. Andererseits - warum beorderte der Vater sie auf ein blutiges Schlachtfeld, wenn er sie mit einem Mann verheiraten wollte, den sie schon seit Jahren kannte? Würdevoll erwiderte sie Aeds Blick.
»Ich kenne die Pflichten einer Prinzessin, Vater, und ich werde heiraten, so
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