01- Die Normannenbraut
geschweige denn einen gewagten Scherz ausgesprochen.
Nur Bede blieb bei Erin und beobachtete sie aufmerksam. Gefügig hatte die Braut alles mit sich geschehen lassen. Aber nun schien die Wirkung des Mohnsamens, der bei der Hochzeit ein leises >ja< hervorgerufen hatte, allmählich zu verfliegen. Die Nonne betete, der Kriegsherr möge seine ehelichen Rechte fordern, bevor seine Frau wieder vollends zur Besinnung kam.
Bede küsste ihre Schwester. »Die Heilige Bridget wird dir in dieser Nacht beistehen.« Der Anblick der großen Smaragdaugen in Erins bleichem Gesicht machte sie sehr traurig. Rasch wandte sie sich ab, um aus dem Raum zu eilen. Doch sie musste sich, von innerer Bewegung fast überwältigt, kurz am vergoldeten Türrahmen festhalten.
Wie sehr sie die Rolle Hasste, die sie bei diesem Täuschungsmanöver gespielt hatte … Wenn Erin wieder klar denken kann, wird sie Vater und mir bei lebendigem Leib die Haut abziehen wollen, sagte sie sich, dann seufzte sie gottergeben. Immerhin erlitt ihre Schwester keine ungewöhnlichen Qualen. Vielen Prinzessinnen wurden ein solches Los zuteil. Ohne zurückzuschauen, schloss Bede die Tür hinter sich.
Das leise Klicken riss Erin aus dem Nebel ihrer Benommenheit. Zum ersten Mal seit Stunden war sie bei vollem Bewusstsein. »Nein!« flüsterte sie, als sie auf ihr weißes Hemd hinabblickte, dann schlug sie schaudernd die Hände vors Gesicht. Sie hatten ihr Drogen verabreicht, um etwas zu erzwingen, das sie bei klarem Verstand niemals getan hätte. Der Wolf war jetzt ihr Mann. Bald würde er in dieses Gemach kommen und erwarten, dass sie ihn wie eine pflichtschuldige Ehefrau willkommen hieß. Auf welche Weise würde er sie quälen, um sich für alles zu rächen, was sie ihm damals im Wald angetan hatte?
»Nein!« Sie sprang auf, lief zu der Truhe, die ihre Aussteuer enthielt, und wühlte darin, bis sie eine perlenbesetzte Schere fand. Wie angemessen, sagte sie sich. Diese Waffe gleicht dem Dolch, mit dem sich Tante Bridget das Leben genommen hat … Und jetzt würde sie den Eroberer erstechen. Sicher glaubte er, eine demütige, von Drogen betäubte Braut würde ihn erwarten, der allein schon sein Anblick Angst und Schrecken einjagte. Nun, sie würde ihn überrumpeln und töten - oder selber sterben, ehe sie sich von seinen schmutzigen Wolfspfoten anrühren ließ.
Sie erblasste, als sie an all die Iren und Wikinger dachte, die bald in den Fluren tuscheln und über die Vorgänge im Ehebett kichern würden - über die Braut, die den Gelüsten des Barbaren ausgeliefert war
»Niemals!« wisperte sie, ehe sie die Pelze und Laken beiseiteschob, um ins Bett zu kriechen. Die Schere an die Brust gedrückt, deckte sie sich zu.
Die Tür begann aufzuschwingen, und Erins Herz pochte so heftig, dass sie kaum Luft bekam. Rasch wich sie Olafs düsterem Blick aus. »So sehen wir uns also wieder, irische Hexe«, spottete er, während er seinen Hochzeitsstaat abzustreifen begann. Durch gesenkte Wimpern beobachtete sie, wie er aus den Stiefeln schlüpfte und seinen Gürtel auf ein geschnitztes Schränkchen legte. Offenbar war er sehr ordentlich, denn er faltete den bestickten Umhang sorgsam zusammen und hängte ihn über eine Stuhllehne, dann die Gamaschen, die Tunika und den Kilt.
Verwirrung mischte sich mit ihren Hassgefühlen. Die Norweger waren doch schmutzige, schlampige Schweine, oder? Aber als Olaf umherging, nahm sie einen Duft von Sandelholz wahr, der mit einem keineswegs unangenehmen männlichen Geruch verschmolz. Frisch und sauber …
Für einen so großen Mann bewegte er sich erstaunlich geschmeidig. Aus den Augenwinkeln sah sie ihn zum Bett gehen - splitternackt. Obwohl sie nicht genau hinschaute, die Lider immer noch gesenkt hielt, stellte sie fest, welch breite, muskulöse Brust mit goldenem Kraushaar bedeckt und welch schmale Hüften er besaß.
»Schau mich an!« befahl er, und sie zwang sich zu gehorchen. Ausdruckslos musterte er sie, dann verzogen sich seine Lippen zu einem grimmigen Grinsen, das seinen eisigen Blick nicht erreichte. Diese Gefühlskälte ließ Erin frösteln. Er empfand nichts für sie, bestenfalls erregte sie seine Belustigung und seine Vorfreude auf die Rache, die er nun plante. Noch weiß er nicht, dass ich meinen Rachedurst stillen werde, sagte sie sich wild entschlossen.
Trotzdem erschauerte sie wieder, als er ins Bett stieg und über ihr kniete, die Hände zu beiden Seiten ihres Kopfs aufgestützt. Nein, mein Wikinger, dachte sie. Wenn du mir
Weitere Kostenlose Bücher