01- Die Normannenbraut
Blut floss schneller durch seine Adern, als er sich entsann, wie sie ihn mit einem gezielten Schlag auf den Kopf außer Gefecht gesetzt hatte. Und nun befand sich das kleine Biest in seiner Gewalt …
Er würde sie zur Rede stellen, bei allen Göttern, aber nur, um für klare Verhältnisse zu sorgen. Denn er wollte nicht mehr gegen die Iren kämpfen, nicht einmal gegen das Biest, mit dem man ihn verheiratet hatte- und das ihn so sehr verabscheute. Welch eine Erleichterung, endlich einmal andere Gefühle zu empfinden, für eine kleine Weile den Schmerz des Verlustes zu vergessen … Doch die Gleichgültigkeit, die ein Teil seines Wesens geworden war, erfasste ihn erneut. Er würde tun, was nötig war, um seine Frau zu einer untadeligen Gastgeberin in seinem Heim zu erziehen, aber nicht mehr. Ansonsten würde er sie in Ruhe lassen. Sollte sie sich in ihrem Hass vergraben, so wie er in seinem Kummer. Sobald sie begriff, dass ihm keineswegs entfallen war, was sie ihm angetan hatte, mochte sie ein zufriedenes Leben führen und all die im Ehevertrag festgelegten Vergünstigungen genießen.
Sie reizte ihn kein bisschen, obwohl er nun erkannte, dass ihr Vater nicht gelogen hatte. Erin mac Aed gehörte zu den schönsten Frauen, die ihm je begegnet waren mit ebenholzschwarzem Haar, das bläulich schimmerte, und strahlend grünen Augen, von dichten, langen dunklen Wimpern umrahmt. Ihre fein gemeißelten Züge verrieten die königliche Herkunft. Das hellviolette Seidenkleid schmiegte sich eng an einen wohlgeformten Körper. Der Ard-Righ muss tatsächlich beabsichtigen, Frieden zu halten, wenn er mir eine solche Schönheit anvertraut, dachte Olaf.
Grinsend schaute er zu dem alten Mann hinüber. Wenn er selbst als Wolf von Norwegen galt, dann konnte man Aed den Fuchs von Irland nennen.
Das Mädchen verabscheute ihn - das wusste Olaf. Anfangs hatte er sich gewundert, wie es der irische König geschafft hatte, sie mit ihm zu verheiraten. Dass Aed Finnlaith von jener Begegnung im Wald wusste, war unwahrscheinlich. Doch Erin musste sich heftig gegen die Hochzeit gesträubt haben . Deshalb war sie mit einer Droge besänftigt worden, in sorgfältig bemessener Dosis. Sie wirkte normal, aber ein forschender Blick in die leicht verschleierten smaragdgrünen Augen ließ keinen Zweifel an ihrem Zustand.
Aufmerksam beobachtete er sie und merkte, dass die Wirkung der Arznei nachzulassen begann. Sehr gut - wenn er mit ihr sprach, musste jedes einzelne seiner Worte in ihr Bewusstsein dringen. Er schob seinen Stuhl zurück, dessen Lehne das geschnitzte Emblem des Wolfs zeigte.
In einer Ecke entdeckte er die Schwester seiner Frau, die Nonne. Ein Mädchen mit klugen Augen. Er gab ihr einen Wink, und sie nickte.
Wenig später eilte sie zu Erin, die sie leicht verwundert anschaute. Dann wandte sie sich zu Olaf, und er sah ihr an, dass sie nun erkannte, was geschehen war. Noch stand sie zu sehr unter dem Einfluss der Droge, um sich zu wehren, aber sie wusste Bescheid. Erbost schüttelte sie die Hand ihrer Schwester ab und starrte in die, Augen ihres Mannes. »Hund von Norwegen!« zischte sie. »Ich verachte Euch! Ihr seid ein Barbar! Nicht besser als ein wildes Tier … «
Seine Kinnmuskeln verkrampften sich. Eisig erwiderte er ihren Hasserfüllten Blick. Der Augenblick der Abrechnung würde nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Seine Braut, mittlerweile wieder sanftmütig und fügsam, wurde aus der Halle geführt. Wütend schaute er ihr nach. Dann ergriff er seinen Kelch und nahm einen großen Schluck. O ja, er würde Vergeltung üben, den verächtlichen Abscheu in Erins Augen besiegen. jetzt war er der Herr von Dubhlain, und um diese Würde hatte er hart gekämpft. Er würde auch in seinem eigenen Heim herrschen.
Nicht einmal die tiefe Trauer um seine geliebte Grenilde - allein schon der Gedanke an ihren Namen war ein schmerzlicher Schrei in seinem Herz - konnte ihn davon abhalten, dieses kleine Biest zu zähmen, mit dem er verheiratet war. Erin würde lernen, dass er kein Mann war, an dem sie ungestraft ihre scharfe Zunge erproben konnte.
Kapitel 9
Seltsame Stille herrschte im Brautgemach, als Erin in Rosenwasser gebadet wurde. Die irischen Damen, die sie bei sich behalten durfte, wuschen ihr dichtes schwarzes Haar und rieben es trocken, bis es in weichen Wellen auf die Schultern fiel. Dann zogen sie ihr ein Nachthemd aus feiner Seide an und entfernten sich. Keine einzige hatte während all dieser Vorgänge gelächelt,
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