01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
ein großer Lastwagen gekommen.“
Fatimas Mutter hatte ihre Scham, das Haus zu verlassen, also doch überwunden. Aber jetzt stellte sich ein Problem, an das ich nicht gedacht hatte.
Konnte ich das Ehepaar Musa ins Haus bitten? Seitdem Joshuas Vater Felix Egbeme hier sein Schreckensregiment geführt hatte, war kein Mann mehr im Haus gewesen. Und so sollte es auch bleiben; das hatten wir gemeinsam bei unserem Einzug festgelegt. Ich überspielte meine Unsicherheit und bat nur Frau Musa ins Haus.
„Mein Mann möchte mich begleiten“, sagte sie.
„Tut mir Leid, das geht nicht“, musste ich abwehren. Ich hatte keine Lust auf umständliche Erklärungen.
Zu meiner großen Erleichterung kam nun die hagere Mama Ada aus dem Haus.
Wie immer trug sie über ihrer Bluse ein großes silbernes Kreuz, das bei jedem Schritt hin und her pendelte. Sie hielt inne, schob es sich unter ihr Oberteil und gab mir per Handzeichen zu verstehen, dass ich Frau Musa vor dem Haus behandeln sollte. Erleichtert nahm das Ehepaar diesen Kompromiss an; wahrscheinlich wären die beiden sonst wieder weggefahren.
Später löffelte meine Patientin tapfer den bitteren Brei.
„Den müssen Sie eine Woche lang essen. Dann wird alles abgeheilt sein“, meinte ich. Und setzte hinzu: „Für die Waschungen sollten Sie morgens und abends vorbeikommen. Geht das?“
Ich sah Said Musas Gesicht deutlich an, dass er eigentlich keine Zeit hatte, seine Frau zu chauffieren. Doch er willigte ein. Als die beiden sich verabschiedeten, fragte er: „Was ist das eigentlich für ein Haus?“
Wir alle hatten uns für Fragen wie diese eine Antwort zurechtgelegt. „Es ist das Haus unserer Eltern. Wir sind Schwestern und wir haben Kinder. Außerdem leben einige Tanten und Cousinen von uns hier“, erläuterte ich ihm.
„Eine richtige Großfamilie“, folgerte der Besucher freundlich. Ich stimmte erleichtert zu und hoffte, damit genug erklärt zu haben.
„Wo sind denn die Männer?“, erkundigte sich Frau Musa. „Arbeiten die in Jos?“
Jos ist eine gut 60 Kilometer entfernt liegende, rund drei Millionen Einwohner zählende Universitäts- und Industriestadt.
Was sollte ich antworten? Dass wir ein Leben ohne Männer führten? Welche Gründe für unsere Art zu leben konnte ich einer Frau nennen, die sich ihrem Mann bedingungslos unterordnete? Ich durfte nicht lügen, denn das würde irgendwann herauskommen. Hätte ich geschwiegen, wären wilde Gerüchte die Folge gewesen. Ich entschied mich für die halbe Wahrheit. „Wir sind Witwen, die ihre Männer verloren haben.“
Die beiden äußerten ihr Bedauern und fuhren wenig später davon. Sie wollten am nächsten Morgen zurückkommen. Nach und nach kamen meine
Schwestern aus dem Haus und setzten sich auf die Treppenstufen.
Mama Ngozi ergriff zuerst das Wort. Um zunächst von mir den nötigen Respekt einzufordern, nannte sie mich Tochter, wie es die vier Ältesten immer taten, wenn sie etwas Wichtiges vorzutragen hatten. „Tochter Choga, du kennst unsere Vereinbarung. Die jüngeren deiner Schwestern waren sehr verwirrt, als der Fremde sich hier niederließ.“
„Das war mein Vorschlag“, sprang Mama Ada mir sofort bei.
„Das spielt jetzt keine Rolle“, beharrte Mama Ngozi. „Wenn du Kranke behandelst, dann nicht in diesem Haus. Wir brauchen keine Unruhe.“
Gerade rechtzeitig fing ich Mama Bisis Blick auf und ließ sie sprechen. „Chogas Berufung ist die einer Heilerin. Sie kann sich nicht aussuchen, wer zu ihr kommt und ihre Hilfe in Anspruch nimmt. Sie hat die Aufgabe, für alle da zu sein.“ Ihr Tonfall klang so entschieden, dass keine meiner Gefährtinnen etwas dagegen einwandte. Bisis Worte hatten mir bewusst gemacht, dass ich bislang zwar auch in dem Sinne gewirkt hatte, wie Ezira es mich gelehrt hatte, doch in erster Linie hatte ich das Leben einer Farmerin geführt.
Ich nahm Joshua die kleine Hündin ab, um ihr die Wurmkur einzuflößen, und verzog mich in meine Küche. Zu meiner Verwunderung schlabberte sie den Tee bereitwillig auf. Wir waren gerade fertig, als Mama Bisi mir eine Tonschale brachte.
„Danke für den Abführtee, meine Kleine. Du sorgst wirklich hervorragend für uns alle.“ Sie legte mir einen Arm um die Hüfte. „Ärgere dich nicht über die anderen. Schließlich leben wir nicht mehr im Harem.“
„Sie haben ja irgendwie Recht“, meinte ich. Diese erste Krankenbehandlung in unserem Haus hatte mir deutlich gemacht, dass ich im Grunde keine fremden Patienten empfangen
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