01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
versündigt sich.“
Tränen liefen über Efes Gesicht. „So habe ich es doch gar nicht gemeint“, flüsterte sie kaum hörbar.
Ganz langsam erhob sich nun Mama Bisi. Sie bebte vor Erregung. „Du gehst zu weit, Schwester Ngozi.“ Sie sprach sehr leise - wohl, um ihre Gefühle zu zügeln. „Tochter Efe wollte nur unsere Kasse aufbessern. Sie hat erkennen müssen, dass die Muslime ihre Schnitzerei ablehnen. Deshalb verleugnet sie noch lange nicht Gottes Sohn.“ Aus den Reihen der jüngeren Frauen war ein zustimmendes Murmeln zu hören. „Und nun zu diesem Zaun. Ich werde nicht mithelfen, ihn zu errichten“, verkündete Bisi um einiges lauter.
Meine Lieblingsmama blickte mich an. „Choga, du hast, nachdem du aus der Schule der weisen Ezira zurückgekehrt bist, einmal etwas zu mir gesagt. Ich glaube, du hast es auf Felix Egbeme gemünzt. Das ist schon lange her. Und ich werde langsam alt; ich habe die genauen Worte vergessen. Es hatte mit den Kindern der Unwissenheit zu tun. Ich als die Älteste fordere dich jetzt auf: Komm hier nach vorn und wiederhole es.“ Sie setzte sich wieder.
Ich wusste sehr genau, welche Worte Mama Bisi meinte. „Es ist die Angst, die Menschen in ihrem Handeln bestimmt. Die Angst hat einen unheilvollen Bruder: den Hass. Sie beide, deren Mutter die Unwissenheit ist, haben den Neid und die Feindschaft geheiratet. Ihre Kinder sind Hunger, Krankheit und Krieg.
Du kannst diese Übel nicht aus der Welt schaffen, wenn du nicht zuerst die Großmutter und die Eltern heilst. Deshalb ist deine Aufgabe, dich zunächst gegen die Unwissenheit zu wenden. Damit die Angst und der Hass nicht an ihrem Busen genährt werden.“ Ich blickte meine Gefährtinnen an. „Dies sind die Worte meiner Lehrerin Ezira. Und es ist meine Überzeugung. Deshalb werde ich nicht mithelfen, diesen Zaun zu bauen.“
„Und ich auch nicht“, sagte Mama Ada. Efe und Lape schlossen sich ebenfalls an. Am Ende beharrten nur noch Mama Ngozi, Mama Funke und ihre beiden jungen Ziehtöchter darauf. Florence und Elisabeth waren 15 und 16 und stammten
aus der Gegend. Nachdem ihre Eltern an Aids gestorben waren, hatten sie bei uns ein neues Zuhause gefunden. Ngozi und Funke hatten sie unter ihre Fittiche genommen.
„In der Kleiderfrage“, schob Mama Ada nach, „schlage ich vor, dass jede trägt, was sie mag. Ob weiß oder bunt.“
„Und morgen wird das Heilhaus weitergebaut“, sagte Mama Bisi.
Die Vernunft hatte an diesem Tag gesiegt. Ein Blick in Mama Ngozis versteinerte Züge sagte mir allerdings, dass uns dieses Thema noch einmal beschäftigen würde.
Josh hatte die Versammlung wohl ziemlich bald gelangweilt; ebenso wie einige andere Kinder war er unbemerkt verschwunden. Ich fand sie alle auf der Rückseite des Farmhauses, wo sie im Schatten mit Kauris spielten. Dabei gewann derjenige, bei dessen Wurf die meisten Lochseiten der Seeschnecken nach oben zeigten. Nur Josh fehlte. Endlich entdeckte ich ihn bei den Bougainvilleabüschen, meinem alten Versteck, das nun das Grab meiner Mutter und jenes von Jo beschützte. Er hatte Hope auf dem Schoß und streichelte ihr Bäuchlein.
„Was ist mit dir?“, fragte ich.
„Mama Ngozi darf dich nicht schimpfen“, sagte er.
Ich erklärte ihm, dass sie mit mir nicht böse sei. „Erwachsene reden manchmal etwas heftig miteinander. Aber das ist kein Streit, sie wollen nur herausfinden, was richtig und was falsch ist.“
„Weißt du denn, was richtig ist, Mama?“
„Nicht immer“, gab ich zu, „ich bin zu jung, um alles zu wissen.“
„Mama Ngozi ist alt. Sie weiß also, was richtig ist, oder?“
Da hatte er mich aber in eine schöne Falle hineingetrieben! Ich, die ihm den Respekt vor dem Alter beibringen sollte, hätte seine Frage am liebsten verneint. Das ging natürlich nicht. „So alt ist sie ja noch gar nicht“, meinte ich daher nur und küsste ihm die Stirn.
Joshua hob den Blick und grinste mich verschwörerisch an. „Das darfst du ihr aber niemals sagen!“
Blutiger Regen
Unter den Sachen, die ich aus Lagos mitgenommen hatte, befand sich auch ein schwerer Lederkoffer. Seit meiner Rückkehr auf die Farm stand er in meinem Zimmer. Mama Bisi hatte den Koffer nach Mutters Tod gepackt und mir in die Hand gedrückt. „Wenn die Zeit reif ist, wirst du ihn schon öffnen“, hatte sie gesagt.
Nun breitete ich den Inhalt vor mir aus. Neben ihrem weißen Sonntags- und einem rauen Arbeitskleid waren es wenige westliche Kleider mit deutschen Etiketten. Die meisten
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