01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
auf.
Ich hatte Jeba schon als Kind gern gemocht; seine Geschäftigkeit hat etwas von einem trägen Fluss, dem man gern zusieht, wie er sich behäbig durch sein Bett wälzt. Die Menschen sind freundlich und hilfsbereit, verrichten ihre Arbeit zumeist am Straßenrand und haben Zeit für lange Gespräche. Weder gibt es die Abgase und den Lärm einer großen Stadt, noch das Gerempel und Gehupe.
Dennoch erschien Jeba mir geschäftiger als sonst, was an meiner Wahrnehmung liegen mochte. Ich war seit meiner Rückkehr aufs Land selten in der Ortsmitte gewesen und auf unserer Farm ging es erheblich ruhiger zu ...
Erst die vierte Händlerin erklärte sich bereit, mir die in Hüfte und Taille sehr schmal geschnittene Garderobe abzunehmen. „Vielleicht muss ich gar nicht nach Jos, um sie verkaufen zu können“, sagte die Frau. „Immer mehr Menschen verlassen in diesen Tagen Jos und lassen sich hier bei uns nieder.“
„Tatsächlich? Was ist los?“, fragte ich.
„Jos ist nicht mehr wie früher. Es gibt Unruhen, Schlägereien auf offener Straße. Ich fahre zurzeit nur ungern dorthin“, gestand die Händlerin. „Dabei war es so eine friedliche Stadt. Für meinen Geschmack zwar viel zu groß und jetzt wird alles auch noch teurer. Manche glauben, es liegt an den Muslimen.
Sie fühlen sich weiter im Norden nicht mehr wohl. Es hat zu viele Tote gegeben.“ Nun erzählte die freundliche Frau genau das, was Ngozi am Vortag kundgetan hatte. Aus ihren Berichten ergab sich das Bild einer allmählichen Wanderung vom krisengeschüttelten muslimischen Norden in die noch ruhige, christlich orientierte Mitte des Landes, wo wir wohnten.
Ich erstand für Mama Bisi Stoff mit fröhlichen Blumen, für Efe etwas Blaues, für mich selbst und sicherlich noch ein paar andere Frauen fließende Stoffe in Erdfarben mit heiteren Farbklecksen sowie preiswerte T-Shirts. Ich zögerte einen Moment und entschied mich dann, meine weiße Kleidung an Ort und Stelle gegen die neue auszutauschen.
„Stand dir gut, das Weiß“, meinte die Händlerin. Sie befühlte den Stoff. „Gutes Material. Willst du das auch verkaufen?“
„Nein, kann sein, dass ich es noch brauche“, murmelte ich.
Anschließend ging ich zum Postbüro, wo wir ein Fach unterhielten. Es hatte lange niemand mehr nachgesehen. Unter anderem war ein Schreiben von Magdalena dabei. Sie hatte Wort gehalten, wollte tatsächlich im August kommen und fragte, welche Sachen wir dringend brauchten.
Welch ein Glück, dass ich meinen Brief noch nicht aufgegeben hatte! Einige unerlässliche Utensilien für meine Arbeit wie
sterile Einweghandschuhe, Desinfektionsmittel oder Verbandsmaterial setzte ich ganz oben auf meine Wunschliste, darunter führte ich eine Wandtafel, Kreide, Englisch- und Rechenbücher auf, dazu Bleistifte, Hefte, Landkarten, für den Biologieunterricht bestellte ich Anschauungsmaterial, das gleichzeitig für die Gesundheitslehre im Heilhaus verwendet werden konnte. Darunter schrieb ich, dass uns ein Generator mit einem Schlag aus dem Mittelalter in die Moderne befördern könnte ... An den Rand kritzelte ich: Bunte Stoffe für Blusen. Am liebsten hätte ich mich entschuldigt für die Länge meiner Liste.
Doch vielleicht war es besser, wenn Magdalena wenigstens ahnte, was sie bei uns wirklich erwartete. Dann gab ich den Brief auf.
Zum Abschluss stand mir ein Gang bevor, dessen Bedeutung mich wie ein Stein im Magen bedrückte. Wir brauchten dringend ein Schulhaus. Die einzige Lösung sah ich in Herrn Musa und seiner Baufirma. Den Koffer auf dem Kopf, schleppte ich mich ans äußerste Ende von Jeba. An manchen Häusern entdeckte ich aufgesprühte Parolen: Zurück, wo ihr herkommt!, oder: Findet eure eigenen Wurzeln!, stand da. Ich konnte damit nichts anfangen; Fremdenfeindlichkeit war mir bis zu jenem Mittag noch kein Begriff gewesen.
Plötzlich bemerkte ich eine Ansammlung von Menschen. Die Leute debattierten heftig. Ich trat näher und stellte fest, dass sie einen Platz in ihrer Mitte frei gelassen hatten. Ein hässlicher, fast schwärzlicher Fleck zeichnete sich auf dem rissigen Teerbelag ab. Ein Mann mittleren Alters, ganz in Weiß gekleidet, richtete immer wieder flammende Worte an die Umstehenden. Er reckte die Hand mit der Bibel in den Himmel und umklammerte dabei ein großes Kreuz.
Sein Auftreten hatte eine entsetzliche Ähnlichkeit mit jenem von Felix Egbeme, dem Vater meines Sohnes. Ich begriff nur, dass der Fremde das Christentum beschwor und Bibelstellen
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