01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
sich innerlich immer sehr nah gewesen.
Die lange Autofahrt hatte die alte Heilerin ermüdet. Doch um ein Bett zu bitten - dazu war sie zu höflich. Ich war so stolz auf mein Heilhaus, dass ich es meiner ersten Lehrerin noch in der Nacht zeigen wollte.
Meine Schwester wusste ich bei meinen Mamas in besten Händen; Amara würde diese Nacht in meinem neuen Reich verbringen.
Das Lebensrad
Festgezurrt auf dem Dach von Amaras Mercedes lag noch ein großer Sack, den wir nun mit vereinten Kräften ins Heilhaus schafften. Er enthielt eine Vielzahl von Kräutern aus dem Regenwald im Süden von Nigeria, die auf der Hochebene nicht wachsen. Ich machte mich am nächsten Tag voller Dankbarkeit daran, sie auszupacken, während sich meine mütterliche Mentorin im Heilhaus interessiert umblickte. Sie stellte ein paar Fragen zu meinen Kräutern und Werkzeugen, meinen Patienten und meinen Heilmethoden, prüfte die Kräuterauszüge und Tinkturen für die Kranken und warf einen Blick in die Station, die nur mit zwei Patientinnen belegt war.
Atemlos beobachtete ich sie. Was ging wohl in ihr vor? Erinnerte sie das alles an die Anfänge ihrer eigenen Praxis in Lagos? Sah sie womöglich Fehler, die ich nicht erkannte? Ihre Miene verriet nichts. Wir kehrten ins Heilhaus zurück, setzten uns auf den Boden, um die mitgebrachten Pflanzen zu sortieren. Amara lächelte zufrieden.
„Gut“, sagte sie und nickte bedächtig. „Es ist so, wie ich es mir für dich erhofft hatte und vor allem für die Menschen, die deine Hilfe brauchen. Ich werde ein paar Tage bei euch bleiben. Es gibt noch einiges, was du wissen musst.“ Sie musterte mich aufmerksam. „Mit wem berätst du dich?“
„Es gibt niemanden, der weiß, was du weißt, Mama Amara. Ich habe Mama Bisi.
Und ich habe meine Schwester Efe. Ich lerne sie jetzt an, falls mir einmal etwas zustößt.“
„Mama Bisi ist wie eine Mutter. Sie kann dich nicht beraten wie eine Lehrerin.
Wer ist Efe? Kenne ich sie? Ist sie gesund?“
Beides musste ich verneinen. Erneut nickte Amara mehrere Male. Sie schien sich selbst einen Gedanken zu bestätigen, den sie mir noch nicht mitgeteilt hatte.
Einst hatte sie aus mir, einer HIV-positiven, verstörten 19-Jährigen, durch ihre verständnisvolle Zuwendung eine Frau geformt, die bereit war, später einmal in ihre Fußstapfen zu treten.
„Du bist so jung“, begann die erfahrene Heilerin, „und dennoch schon so alt.
Ich glaube, Menschen, denen die Jugend gestohlen wurde, durchlaufen das Rad des irdischen Lebens schneller. Plötzlich ist es zu spät. Sie können nicht mehr innehalten und brechen entkräftet zusammen. Ihr Lebensrad gerät ins Taumeln. Verstehst du, was ich meine, Choga?“
„Ja, ich glaube schon“, flüsterte ich. Ich sagte nicht, dass ich mich völlig gesund und eigentlich stark genug fühlte. Nicht nur mein Beruf hatte mich gelehrt, dass dies keine Argumente waren, wenn es um die Arbeit einer Heilerin ging.
Wir wissen, dass unser Leben dem Wasserholen am Brunnen gleicht. Wir laben uns an dem frischen Nass, tragen es auf unseren Köpfen zu unseren Familien und versorgen sie damit. Das Wichtige daran ist, dass das Wasser nicht bei uns bleibt -wir geben es weiter. So hat es mich meine weise Lehrerin Ezira gelehrt.
„Efe ist also nicht die Richtige, um mein Wissen zu empfangen?“, fragte ich Amara.
Die alte Frau antwortete mit einer Gegenfrage: „Kann sie es weitertragen?“
„Wen könnte ich sonst einweihen?“, erkundigte ich mich. „Es ist niemand hier.“ Amara konnte mir in diesem Punkt nicht weiterhelfen. Ich selbst müsse die Antwort finden, sagte sie. Nicht jetzt. Irgendwann. Wenn die Zeit gekommen sei.
Neben ihrem Bett hatte meine Schwester das Foto einer blond gelockten jungen Frau aufgestellt. Sie posierte vor einem Haus, das wie ein Boot auf dem Wasser schwamm. Eine mädchen-haft unausgereift wirkende Handschrift hatte darüber geschrieben:
Liebste Mama, hier wohne ich jetzt. Darunter: Deine Kati
Magdalena drehte das Bild um und ließ mich lesen, was dort in der gleichen Schrift geschrieben stand: Gestern hat Michael dieses Haus für uns gekauft.
Ein Traum ist wahr geworden.
Ich konnte mit alldem nichts anfangen. „Wer ist Michael?“, fragte ich.
„Ihr Freund.“ Magdalena seufzte. „Er ist viel älter als Kati.“
„Wenn Sie mit ihm glücklich ist...“, meinte ich.
Ich sah in Magdalenas Gesicht, dass sie davon nicht ausging. „Sie hat in den USA als Au-pair-Mädchen bei einer Familie gearbeitet,
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