01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
ist...“
„Mama Bisi“, ergänzte Magdalena ergriffen. „Ich habe dich nicht vergessen.
Wie geht es dir?“
Bisi strahlte unsere Besucherin an. „Willkommen. Möge unser Zuhause auch dein Zuhause sein.“
Etwas abseits stand Josh und zupfte verlegen an seinem viel zu großen T-Shirt herum. Ich streckte ihm beide Hände entgegen, woraufhin er wie erlöst auf mich zustürmte.
Magdalena beugte sich zu ihm hinunter. „Kannst du dich noch an deine deutsche Tante erinnern?“, fragte sie.
Josh nickte heftig, aber stumm mit dem Kopf.
„Du bist ganz schön gewachsen“, meinte meine Schwester anerkennend.
„Du siehst completely anders“, entgegnete Josh.
Ein kurzer Blick aus Magdalenas Augen traf mich. Aber sie sagte nichts zu mir.
Sondern fuhr Josh durchs Haar.
„Wieso sehe ich ganz anders aus?“, fragte sie.
„Dein hair is grau.“
„Meine Haare, ja. Wenn man älter wird, kommt das manchmal vor.“
„Magdalena wird uns morgen alles erzählen.“ Mama Ada hatte sich in die Mitte unserer kleinen Versammlung geschoben. Energisch klatschte sie in die Hände. „Es ist Zeit, ins Bett zu gehen, Schwestern. Wir haben morgen viel vor.“
„Warte, Mama Ada“, protestierte Magdalena, „ich habe für euch alle doch Geschenke mitgebracht.“
Aufgeregtes Gemurmel ertönte. Mehrere Gesichter, denen ich die leichte Enttäuschung schon angesehen hatte, hellten sich auf. In meinem Land kommt niemand ohne Mitbringsel in ein fremdes Haus. Wer zu Gast ist, zeigt seine Wertschätzung sofort. Natürlich würde sich niemand offen beklagen, wenn die Geschenke ausblieben. Doch wenn Weiße kommen, was in unserem Fall ja noch nie geschehen war, ist die Erwartung umso größer ...
Mit Magdalenas Ankunft fiel Weihnachten auf den August. Die Frauen und Kinder scharten sich um Amaras alten Mercedes, dessen Kofferraumdeckel offen stand. Darin verbarg sich das wertvollste Geschenk von allen - ein Generator. Dieser kompakte, hochmoderne Apparat erfüllte uns einen Traum: Das umständliche Entzünden der Kerosinlampen würde in absehbarer Zeit ein Ende haben.
„Wie hast du den denn ins Flugzeug bekommen?“, fragte ich verblüfft.
Magdalena verdrehte als Antwort nur die Augen - sie hatte, wie sie später berichtete, am Zoll einige Probleme damit gehabt. Nun wurden die hinteren Wagentüren geöffnet und die vielen Kisten und Pakete auf der Rückbank bestaunt. Magdalena, meine praktisch veranlagte deutsche Schwester, hatte ihren Haushalt weitgehend aufgelöst. Was wir im Haus an Schätzen ausbreiteten, verschlug uns förmlich die Sprache: silberne Töpfe, Bettwäsche, Handtücher und viel Besteck lagen da neben Ketten und sogar Armbanduhren.
Für Mama Bisi, die so gern im Garten werkelte, gab es Scheren und anderes Nützliches; Mama Ada freute sich über Kellen, Wasserwaage und andere Sachen, die bislang ihr Improvisationstalent ersetzt hatte. Und für die Kinder gab es Puzzles, Bilderbücher und Puppen sowie Wörterbücher, Stifte, Hefte und Tafeln. Magdalena als Lehrerin wusste eben, was der Nachwuchs brauchte. Dann waren da noch meterweise Stromkabel, Lichtschalter und Lampen, damit wir wieder Anschluss an die Moderne finden konnten.
Außerdem entdeckte ich zwei Koffer voll Blusen, T-Shirts, Kleider und Röcke nebst jeder Menge Nähzeug, falls
die für europäische Maße bestimmten Sachen nicht zu unseren Hüften passten...
Schließlich reichte Magdalena mir, die ich mir diese Bescherung mit offenem Mund angesehen hatte, zwei Kartons. Darin lagen orthopädische Sportschuhe.
Das war zu viel für mich. Mit Tränen in den Augen schloss ich meine Schwester, die mir wie eine Himmelsbotin erschien, in die Arme. Mein ganzes Leben lang hatte ich von solchen Schuhen geträumt, die in Nigeria nicht für Geld und gute Worte zu bekommen waren. Mit zitternden Fingern zog ich sie an. Ich schaffte es nicht. Die Aufregung machte es mir unmöglich, eine korrekte Schleife zu binden. Magdalena half mir.
Und dann tat ich meine ersten Schritte. Ich war damals 25 Jahre alt. Seitdem ich laufen gelernt hatte, schwankte ich wie ein Schiff auf hoher See. Nun aber lief ich gerade - eine Absatzerhöhung, elegant in den Schuh eingearbeitet, glich meinen extremen Beckenschiefstand so wundervoll aus, dass ich zum ersten Mal nicht mehr humpelte. Dass von nun an niemand meine Behinderung bemerken würde, war nicht das Wichtigste. Endlich würden mir die vielen weiten Strecken, die ich zu Fuß und ohne Schuhe zurücklegen musste, nicht mehr als
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