01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
die mit Michaels Familie befreundet ist“, erzählte meine Schwester. „Deren Kinder hat sie betreut. So hat sie ihn auch kennen gelernt. Durch Michaels Sohn. Er ist verheiratet.“
Schon ihre eigene Scheidung bedeutete nach Magdalenas katholischer Überzeugung einen Verrat an ihrem Glauben. Das Liebesleben ihrer Tochter stellte diese Überzeugungen nun endgültig auf den Kopf. Ich konnte ihr dabei nicht helfen; mein eigenes Leben hat mich gelehrt, dass gegenseitige Liebe wichtiger ist als das Festhalten an religiösen Regeln. Ich muss allerdings einschränken, dass ich den westlichen Lebensstil zu wenig kenne, um dieses Urteil auf alle Menschen auszudehnen.
„Ich wollte nach New York fahren, wo die beiden lebten, um den Mann, den meine Tochter liebt, kennen zu lernen“, sagte Magdalena. „Aber es hieß, dass sie umziehen wolle, weil Michael einen neuen Job in Seattle bekam. Das ist die Stadt auf dem Foto.“ Niedergeschlagen blickte sie zu Boden. „Das war jedoch nicht der wahre Grund. Kati will nicht, dass ich an ihrem Leben zu sehr Anteil nehme. Mein Rat ist nicht mehr gefragt.“ Leise setzte sie hinzu: „Sie ist alles, was ich habe.“
„Du hast jetzt auch uns“, verbesserte ich mild. „Gib deiner Tochter Zeit. Sie muss zu sich selbst finden. Sie hat sich abgenabelt von dir.
Das gehört zum Erwachsenwerden dazu.“
„Du bist nur fünf Jahre älter als meine Tochter“, sinnierte Magdalena. „Aber du bist eine erwachsene Frau. Kati ist doch noch ein Kind.“
„Sie fühlt gewiss nicht mehr wie ein Kind.“
„Und redest wie eine reife Frau.“ Meine deutsche Schwester musterte mich.
„Was macht eigentlich deine Gesundheit? Hast du ... es ... im Griff?“
„Den Virus? Du kannst darüber offen sprechen, Magdalena. Wir alle tun das. Es ist der beste Weg, mit HIV umzugehen. Die Krankheit als einen Bestandteil von uns selbst zu begreifen. Damit leben, auf die Signale des Körpers lauschen.
Ohne das Gras wachsen zu hören.“ Ich grinste. „Hat Mutter immer gesagt. Wir haben hier ja nicht so viel Gras.“ Ich erhob mich. „Komm mit, ich zeige dir endlich mal mein Heilhaus. Ich muss ohnehin Mama Chogas Tee zubereiten.“
Auf dem Weg erklärte ich ihr, worum es sich dabei handelte.
„Dieses Gebräu stärkt wirklich die Widerstandskraft?“ Magdalena staunte noch mehr, als sie die ihr wohl recht unscheinbar vorkommenden Zutaten sah. „Du verwendest nur diese Kräuter? Und die allein helfen?“ Ich bestätigte es. „Weißt du, dass Aids-Medikamente bei uns ein Wahnsinnsgeld kosten?“, fragte sie.
Ich hob die Achseln. „Choga Regina, verkauf das Rezept. Du bekommst dafür viel Geld. Damit könntet ihr alle ein Leben ohne finanzielle Sorgen führen.“
„Wir brauchen kein anderes Leben als dieses.“ Ich blickte sie nachsichtig an.
„Reichtum macht Menschen nicht glücklich. Ich habe in Lagos gelebt und viele wohlhabende Leute gesehen. Sie fahren große Autos, tragen teuren Schmuck, haben ein Haus mit Swimmingpool. Gibt ihnen das inneren Frieden? Und wenn ja, warum brauchen sie dann hohe Mauern mit Scherben obendrauf?“
„Du könntest vielen Menschen helfen“, wendete sie ein.
„Ich helfe an der Stelle, an die Gott mich gestellt hat. Hier ist meine Aufgabe. Wenn ich hinausgehe in die Welt, um mein Wissen Fremden zur Verfügung zu stellen - wer kümmert sich dann um meine Gemeinschaft?“
„Die Mamas, ich!“, rief sie. Ich sah ihr an, dass sie mich nicht verstand. Noch nicht. Sie war erst zu kurz hier.
Gewissermaßen in der Nachbarschaft, in Jos, befindet sich das große nigerianische Forschungszentrum für Aids. Die Vorstellung, Ärzten oder wem auch immer meine Pflanzen und deren Wirkung erklären zu müssen, ist mir ein Grauen. Ich mag keine Krankenhäuser und auch nicht die herablassende Art, mit der studierte Leute Menschen wie mich behandeln. Wer als Heiler allein auf die Natur baut, wird von ihnen verlacht und für unzurechnungsfähig erklärt.
Doch ist das nicht der einzige Grund.
Ich versuchte Magdalena zu erklären, was ich meinte. „Sie würden durch meine Kräuter so viel Geld verdienen wollen, wie jene Medizin kostet, die sie erfunden haben. Und die wir uns nicht leisten können. Heilen und Geld verdienen, das gehört einfach nicht zusammen.“
„Heilst du denn, ohne Geld zu nehmen?“, fragte sie entsetzt.
„Mama Bisi nimmt es entgegen, doch sie verlangt nicht viel mehr als den Selbstkostenpreis. Glaube ich. Ich habe sie nie gefragt. Weil ich es gar nicht
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