01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
wissen will. Es kommen so viele Menschen, die keinen Arzt und keinen Heiler bezahlen können. Bisi, Efe und ich, wir sind ihre ganze Hoffnung.“
Ich sah meiner deutschen Schwester an, dass sie etwas bedrückte, was sie sich nicht auszusprechen traute. „Bei keiner von euch ist die Krankheit bislang ausgebrochen?“, fragte sie endlich, und ich bestätigte es. „Was tust du, wenn es wirklich einmal schlimm kommt?“, hakte sie nach.
Ich verstand nicht, worauf sie hinauswollte.
„Ich meine, wenn jemand wirklich lebensgefährlich erkrankt, Choga Regina. Ich habe mich mit dieser Krankheit beschäftigt“, sagte sie. „Ein Husten zum Beispiel kann sich zur
Lungenentzündung auswachsen, gar zur Embolie führen. Was machst du dann?“
„Zunächst mal verhindern, dass es so weit kommt, also vorbeugen“, antwortete ich. „Alle genau beobachten, das kleinste Anzeichen wahrnehmen.“
„Hier leben eine Menge Menschen“, entgegnete sie. „Führst du ein Protokoll, wenn jemand Symptome entwickelt?“
„Was für ein Protokoll?“, fragte ich ratlos.
Sie reichte mir ein dickes Buch mit leeren Blättern. „Hier, wir nennen so etwas eine Kladde. Wäre es nicht besser, du würdest alles genau aufschreiben, dir Notizen machen, damit du nichts vergisst?“
„Danke“, sagte ich und legte die so genannte Kladde zur Seite.
„Du hältst wohl nicht viel davon“, erkannte Magdalena scharfsinnig. Ich bestätigte, dass solch ein Vorgehen bislang nicht zu meiner Art des Lebens passte. Nun bohrte sie weiter. „Gesetzt den Fall, jemand braucht wirklich ein Antibiotikum? Was ist dann?“
„Es ist alles hier. Amara hat meine letzten Bestandslücken geschlossen.“ Ich deutete auf meine nach ihrem Vorbild ordentlich sortierten Kräuter. „Die Natur hat auf alles eine Antwort. Es geht auch ohne Chemie. Du brauchst dir keine Sorgen zumachen.“
Ihre Miene verriet, dass meine Worte sie nicht überzeugten. Ratlos glitt ihr Blick über die getrockneten, pulverisierten oder zu kaltem Auszug verarbeiteten Zutaten. „Was für ein Aufwand“, murmelte sie. „Wie viel Zeit verbringst du damit, all das herzustellen?“
„Jeder erhält nur, was er wirklich braucht. Niemand belastet seinen Körper mit zusätzlichen Wirkstoffen, die überflüssig sind. Das ist ein Vorteil, der jeden Aufwand mehr als rechtfertigt.“ Mir fiel ein, dass ich in ihrem Zimmer eine Packung mit Tabletten zur Malaria-Prophylaxe gesehen hatte.
„Wie lange willst du bleiben?“, fragte ich. Sie habe sich erst mal für ein Jahr beurlauben lassen, antwortete sie. „Willst du die ganze Zeit das Malariamittel nehmen?“, erkundigte ich mich.
„Das Tropeninstitut hat mir dazu geraten“, meinte meine deutsche Schwester.
„Mutter hat jahrzehntelang in Afrika gelebt und nichts genommen. Diese Mittel schwächen den Organismus nur unnötig.“ Ich zeigte ihr ein paar unscheinbare nussförmige braune Früchte. „Damit habe ich ein Kind kuriert. Fatima, du wirst sie unterrichten. Als ihre Eltern sie zu mir brachten, war sie schwer krank. Du kannst deine Prophylaxe ruhig absetzen“, schlug ich vor.
Magdalena betrachtete die Früchte nachdenklich und sah dann schweigend zu, wie ich mich an die Arbeit machte. Plötzlich öffnete sich hinter uns die Tür zur Heilstation. Amara kam herein, in ihrem Gefolge Efe.
„Ich hatte Recht, Choga, es ist wirklich ein Hautpilz!“ Efe strahlte übers ganze Gesicht, während sie sich, inzwischen schon routiniert, die Einweghandschuhe auszog. Am Morgen war eine Frau aufgetaucht, die wegen offener Füße und starker Schmerzen kaum mehr gehen konnte. Ich hatte die Behandlung Amara und Efe überlassen, weil meine Mentorin sich eine Meinung über Efes Befähigung zur Heilerin bilden wollte.
Ich fing einen Seitenblick Amaras auf; irgendetwas schien ihr nicht zu behagen, sie sagte jedoch nichts.
Gemeinsam gingen wir hinüber zu der neuen Patientin. Am Boden neben ihrem Bett kauerten vier Frauen, daneben spielten friedlich zwei Kinder. Ein normaler Anblick. Solange nicht mal die Hälfte unserer Station belegt war, hatte ich nichts dagegen. Vor allem nicht in Fällen wie diesem: Die Patientin hatte ihre Mutter, zwei Mitfrauen und ihre Schwester mitgebracht. Es war nötig, sie alle auf mögliche Ansteckung hin zu untersuchen, ebenso wie die Kinder. Nur die Mitfrauen zeigten Anzeichen der beginnenden Erkrankung.
„Das ist ja sehr praktisch, wie ihr das macht“, stellte Magdalena fest. „So kann man gleich eine ganze Familie
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