01 - Ekstase der Liebe
jedem Raum herrschte, schützten. Marie brummelte
auf Französisch vor sich hin, während sie die Kleider ihrer Herrin in dem großen
Schrank aufhängte. Sie fand keinen Gefallen an schottischen Schlössern, die
ständig von einer Nebelwolke umgeben schienen. Diese Feuchtigkeit! Und was
sollten sie anziehen? Sie hatte für ihr Herrin - und sich selbst -
für Italien gepackt. Und das hier war ganz gewiss nicht Italien!
»Marie!«,
rief Charlotte noch einmal.
»Es tut
mir Leid, Mylady.« Maries verärgertes kleines Gesicht erschien in einem Spalt
zwischen den Stellwänden. »Möchten Sie, dass ich nach mehr heißem Wasser läute?«
»Ja,
danke, Marie. Und würdest du bitte dem Grafen eine Nachricht senden und ihm
mitteilen, dass ich beabsichtige, mich für die Nacht zurückzuziehen, und mein
Essen auf mein Zimmer haben möchte? Ich bin sehr erschöpft.«
Marie
hielt nicht viel davon, sich im Schlafzimmer zu verstecken; ihrer Ansicht nach
sollte Charlotte hinausgehen und den Kampf mit ihrem Mann ausfechten. Aber als
sie Charlottes Gesicht sah, musste sie ihr Recht geben. Vielleicht war es
besser, die Sache morgen in die Hand zu nehmen, wenn Charlotte ausgeschlafen
hatte und so gut wie möglich aussah.
»Natürlich,
Mylady. Soll ich Mrs McLean anweisen, morgen eine Näherin ins Schloss zu rufen?
Ich fürchte, dass wir die Wollstoffe, die wir in Glasgow gekauft haben, so bald
wie möglich zu Kleidern verarbeiten müssen. Sie und Pippa werden bei diesem
Wetter im Handumdrehen mit einer Erkältung daniederliegen.«
»Das
ist eine sehr gute Idee, Marie. Bitte Katy, mir Pippa hereinzuschicken, wenn
sie in das Kinderzimmer zurückkommt. Ich würde gern mit ihr zu Abend essen.«
Marie
lief geschäftig davon. Sie schickte nach mehr heißem Wasser und ließ das Feuer
im Kamin so hoch schüren, dass die Funken wie Glühwürmchen den Kamin
hochflogen. Der Raum erwärmte sich, bemerkte Charlotte. Gott sei Dank war
dieser Raum erheblich kleiner als die ehelichen Gemächer den Gang hinunter. Sie
stieg aus dem Bad und ließ sich in einem bequemen Stuhl vor dem Feuer nieder,
unfähig, sich zu rühren. Als Pippa hereingebracht wurde, schien diese ebenso
schläfrig, also setzten sie sich zusammen in den großen Stuhl und Charlotte
erzählte ihr von einem Pferd namens Peggy, das fliegen konnte. Pegasus schien
ein zu großes Wort für ein eineinhalbjähriges Mädchen.
Später
aßen sie von einem Tablett zu Abend und Pippa war so müde, dass sie nicht
einmal versuchte, Essen in die Luft zu werfen. Sie saß einfach nur ruhig auf
Charlottes Schoß und öffnete fügsam den Mund, wenn Charlotte ihr kleine
Essensbissen hinhielt.
Schließlich
legte Charlotte sie in Katys Arme, zog sich ein Nachthemd über und kroch in ihr
warmes Bett. Marie legte noch einmal Holz nach und ging. Charlotte lag eine
Weile wach und starrte in das Feuer, das im Kamin tanzte und groteske Schatten
an die alten Steinwände warf. Was würde mit ihr und Alex geschehen? Und was
vielleicht noch wichtiger war, was wollte sie? Jetzt, da sie sich wieder
getroffen hatten und ihre hysterische Angst, er könne sie vor den Augen Pippas
und der Dienstboten beschimpfen, sich als unbegründet erwiesen hatte, fühlte
sie sich ratlos. All ihre Energie war darauf ausgerichtet gewesen, sich gegen
ihr Wiedersehen zu wappnen, das sie sich schrecklich und voller Beschimpfungen
vorgestellt hatte. Tatsächlich hatte sie die ganze Zeit einen Alex vor Augen
gehabt, der ebenso wütend war wie vor drei Wochen in ihrer Hochzeitsnacht.
Gegen
ihren Willen füllten sich Charlottes Augen mit Tränen. Vielleicht war es ihre
Schuld. Vielleicht hätte sie ihren Mut zusammenraffen und ihm schildern sollen,
wann sie sich vor ihrer Hochzeit schon einmal geliebt hatten. Stattdessen hatte
sie den feigen Weg gewählt und ihrer Mutter geglaubt, die gesagt hatte, dass
niemand je merken würde, dass sie keine Jungfrau war. Alex hatte in gewisser
Hinsicht Recht: Sie hatte ihn angelogen, ihm zumindest nicht die ganze Wahrheit
gesagt. Er hatte gedacht, sie sei Jungfrau, und sie war es nicht. Charlotte
schniefte. Sie hatte in den letzten Wochen genug geweint, um ein Schiff zu
versenken, dachte sie mit einem Anflug von Ironie.
Was
wollte sie also? Sie wollte ... sie wollte, was sie nicht haben konnte. Den
Alex von früher. Einen Alex, der nie solch schreckliche Dinge zu ihr gesagt
hatte. Tränen stiegen ihr in die Augen. Aber Charlotte war so müde, dass sie
nicht einmal lange weinen konnte; zwischen zwei
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