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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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einbezog, wie Kelly sehen konnte. Sie tranken von ihren Drinks, zahlten bar, neckten und betatschten gelegentlich die Bedienung und gaben ihr quasi als Entschuldigung ein hohes Trinkgeld. Kelly wechselte von Zeit zu Zeit den Platz. Er entledigte sich seines Jacketts, rollte die Ärmel auf, um den Gästen an der Bar ein unterschiedliches Bild zu liefern, und beschränkte sich auf zwei Biere, mit denen er so sparsam wie möglich umging. So schwer es ihm auch fiel, er ignorierte die unerfreulichen Seiten des Abends, und beschränkte sich darauf, zu beobachten. Wer wohin ging. Wer kam und ging. Wer blieb. Wer sich immer an einer Stelle aufhielt. Kelly begann Muster zu erkennen und einzelne Gesichter zu unterscheiden, denen er selbsterfundene Namen zuordnete. Vor allem beobachtete er alles, was mit Lamarck zu tun hatte. Der zog nie seine Anzugjacke aus und hielt sich stets mit dem Rükken zur Wand. Er sprach freundlich mit seinen beiden Gefährten, aber ihre Vertraulichkeit war nicht die guter Freunde. Die Witze waren zu affektiert. Ihre Gesten waren zu übertrieben, ihnen fehlte die selbstverständliche Gelassenheit, wie man sie bei Leuten sieht, die einen anderen Grund haben, beisammenzusitzen, als nur das Geld. Selbst Zuhälter konnten sich einsam fühlen, dachte Kelly, und obwohl sie ihresgleichen suchten, fanden sie dort keine Freundschaft, sondern nur eine lockere Zweckgemeinschaft. Kelly verschob die philosophischen Betrachtungen auf einen späteren Zeitpunkt. Wenn Lamarck nie seine Jacke auszog, mußte er eine Waffe tragen.
    Kurz nach Mitternacht zog Kelly sein Jackett wieder an und machte einen weiteren Ausflug zur Toilette. In einer Kabine nahm er die Automatik heraus, die er in der Hose versteckt hatte, und schob sie in den Bund. Zwei Bier in vier Stunden, dachte er. Seine Leber sollte den Alkohol bereits wieder aus seinem Organismus entfernt haben, und selbst wenn dem nicht so war, dürften zwei Bier bei einem stämmigen Burschen wie ihm wohl nicht besonders viel Wirkung haben. Eine wichtige Feststellung, die sich, wie er hoffte, nicht als Lüge entpuppen würde.
    Sein Timing war gut. Während er seine Hände zum fünftenmal wusch, sah Kelly im Spiegel die Tür aufgehen. Nur der Hinterkopf eines Mannes, aber unter dem dunklen Haar befand sich ein weißer Anzug, und so wartete Kelly und ließ sich Zeit, bis er die Spülung des Urinais hörte. Da der Mann auf Sauberkeit bedacht war, drehte er sich um, und ihre Blicke trafen sich im Spiegel.
    »Entschuldigen Sie«, sagte Pierre Lamarck. Kelly trat vom Waschbecken zurück, während er sich noch die Hände mit einem Papierhandtuch abtrocknete.
    »Ich mag die Damen«, sagte er leise.
    »Hmm?« Lamarck hatte nicht weniger als sechs Drinks intus, und seine Leber war dieser Aufgabe nicht gewachsen, was aber seiner Selbstbewunderung vor dem schmutzigen Spiegel keinen Abbruch tat.
    »Die, die zu Ihnen kommen.« Kelly senkte die Stimme. »Die, äh, arbeiten für Sie?«
    »Das könnte man so sagen, Mister.« Lamarck zog einen schwarzen Plastikkamm heraus, um seine Frisur in Ordnung zu bringen. »Warum fragen Sie?«
    »Ich könnte ein paar brauchen«, sagte Kelly verlegen,
    »Ein paar? Sind Sie sicher, daß Sie das in den Griff kriegen, Mister?« fragte Lamarck mit einem schmierigen Grinsen.
    »Ich bin mit ein paar Freunden in der Stadt. Einer hat Geburtstag, und... «
    »Eine Party«, bemerkte der Zuhälter fröhlich.
    »Stimmt.« Kelly versuchte, sich scheu zu geben, aber es wirkte hauptsächlich unbeholfen. Der Irrtum wirkte sich zu seinen Gunsten aus.
    »Nun, warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Wie viele Mädchen brauchen Sie denn, Sir?«
    »Drei, vielleicht vier. Sollen wir draußen darüber reden? Ich könnte ein bißchen frische Luft gebrauchen.«
    »Aber klar doch. Ich wasch mir nur noch die Hände, okay?«
    »Ich warte vor der Tür.«
    Auf der Straße regte sich kaum etwas. Auch in dem geschäftigen New Orleans war so mitten in der Woche nicht viel los, und die Gehsteige waren zwar nicht leer, aber auch nicht gerade belebt. Kelly wartete, ohne den Eingang zur Bar im Auge zu behalten, bis er eine freundliche Hand auf seinem Rücken spürte.
    »Das muß Ihnen nicht peinlich sein. Wir alle haben doch gern ein bißchen Spaß, besonders, wenn wir weit weg sind von daheim, stimmt's?«
    »Ich zahle sehr gut«, versprach Kelly mit einem verlegenen Lächeln.
    Lamarck grinste, ganz Weltmann, um seinen Hühnerzüchter zu beschwichtigen. »Bei meinen Damen müssen Sie das

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