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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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bis nach New York gelangen. Bis jetzt war er ein Eindringling gewesen, ein ehrgeiziger Außenseiter. Er hatte genügend Heroin besorgt, daß die Leute an ihm und seinen Teilhabern Interesse gefaßt hatten schon allein die Tatsache, daß er Teilhaber hatte, hatte Neugier geweckt. Aber jetzt war es anders. Jetzt machte er seinen entscheidenden Zug, um Teil der Mannschaft zu werden. Man würde ihn als ernsthaften Geschäftsmann betrachten, denn diese Lieferung deckte natürlich die Bedürfnisse von Baltimore und Philadelphia für... na, vielleicht einen Monat, schätzte er. Vielleicht auch weniger, wenn ihr Verteilernetz tatsächlich so gut war, wie sie behaupteten. Was übrig blieb, würde dann die steigende Nachfrage im Big Apple befriedigen, wo sie nach einer größeren Razzia Nachschub brauchten. Nachdem er so lange Zeit kleine Schritte gemacht hatte, kam jetzt der große. Billy schaltete das Radio ein, um die Sportnachrichten mitzubekommen, stieß aber statt dessen auf einen Wetterbericht.
    »Ich bin froh, daß wir jetzt gehen. Es wird ein Gewitter geben.«
    Tucker blickte nach draußen. Der Himmel war noch klar und ungetrübt. »Nichts, was uns Sorgen machen könnte«, sagte er.
    Kelly liebte New Orleans, eine Stadt in der europäischen Tradition, die den Charme der Alten Welt mit dem amerikanischen Schwung vermischte. Es war eine geschichtsträchtige Stadt, die abwechselnd im Besitz von Franzosen und Spaniern gewesen war und nie ihre Traditionen verloren hatte, bis hin zur Beibehaltung einer Gesetzgebung, die mit den anderen neunundvierzig Staaten kaum vereinbar war, was den Bundesbehörden oft einiges Kopfzerbrechen bereitete. Das galt auch für das hier gesprochene Patois, denn viele versahen ihre Sätze mit französischen Brocken, oder dem, was sie dafür hielten.
    Pierre Lamarcks Vorfahren waren Akadier gewesen, und einige seiner entfernteren Verwandten bewohnten noch immer die sumpfigen Gegenden der Bayous. Doch Gepflogenheiten, die für Touristen exzentrisch und unterhaltsam waren und den anderen ein bequemes Leben reich an Tradition boten, waren für Lamarck kaum von Interesse außer als Bezugspunkt, als persönliches Wesensmerkmal, um ihn von seinesgleichen abzuheben. Das war schwer genug, da sein Beruf einen gewissen Glanz, ein persönliches Flair verlangte. Er akzentuierte seine Einzigartigkeit mit einem weißen Leinenanzug, zu dem selbstverständlich auch eine Weste gehörte, einem weißen, langärmeligen Hemd und einer knallroten Krawatte, was seinem Image als respektabler, wenn auch auffälliger Geschäftsmann entsprach. Sein Privatwagen, ein eierschalenfarbener Cadillac, paßte perfekt ins Bild. Er suchte den übertriebenen Zierat zu vermeiden, den einige andere Zuhälter an ihren Autos anbrachten, wie etwa diese völlig funktionslosen Auspuffrohre. Ein angeblicher Texaner hatte sogar die Hörner eines Longhorn-Stiers an seinen Lincoln montiert, aber in Wirklichkeit war der natürlich schäbiger weißer Abschaum aus dem untersten Alabama, und noch dazu ein Junge, der nicht wußte, wie man seine Damen richtig behandelte.
    Dieser letztere Vorzug war Lamarcks größter Pluspunkt, sagte er sich voller Zufriedenheit, während er den Wagenschlag für seine neueste Eroberung öffnete, fünfzehn Jahre alt und kürzlich erst hereingeschneit, gesegnet mit einer Unschuldsmiene und ungelenken Bewegungen, was sie zu einem bemerkenswerten und reizvollen Mitglied seines Stalls mit acht Pferdchen machte. Die ungewohnte Zuvorkommenheit des Zuhälters hatte sie sich früher am Tag mit einer ganz speziellen persönlichen Dienstleistung erworben. Die Luxuslimousine sprang bei der ersten Schlüsseldrehung an, und um halb acht machte sich Pierre Lamarck auf zu einer weiteren Nacht voller Arbeit, denn das Nachtleben in seiner Stadt begann früh und endete spät. In New Orleans lief gerade ein Kongreß von Großhändlern für irgend etwas. Hier fanden oft Kongresse statt, und deren Kommen und Gehen ließ sich am Geldfluß seines Geschäfts ablesen. Es sah ganz nach einer warmen und ertragreichen Nacht aus.
    Das muß er sein, dachte Kelly einen halben Block entfernt hinter dem Steuer seines immer noch gemieteten Wagens. Wer sonst würde einen dreiteiligen Anzug tragen und sich von einem jungen Mädchen in einem engen Mini begleiten lassen? Sicherlich kein Versicherungsvertreter. Der Schmuck des Mädchens sah selbst aus der Entfernung billig-effekthascherisch aus. Kelly legte den Gang ein und folgte ihnen. Er konnte es

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