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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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angebracht, denn sie verstanden die wirklich wichtigen Angelegenheiten oft einfach besser als ihre Vorgesetzten. Es war alles so klar. Der Krieg war eine ganz schlimme Sache und mußte unter allen Umständen vermieden oder, wenn das nicht möglich war, so rasch wie möglich beendet werden, weil Krieg Leben forderte, und das war etwas ganz besonders Schlimmes. Wenn es erst keinen Krieg mehr gab, mußten die Leute lernen, ihre Unstimmigkeiten auf friedlichem Wege zu regeln. Das war so sonnenklar, daß sich beide nur wundern konnten, wie derartig viele Menschen diese schlichte Wahrheit nicht begriffen, die sie beide schon auf der High-School entdeckt hatten.
    Es bestand im Grunde nur ein Unterschied zwischen den zweien. Hicks arbeitete im Beraterstab des Weißen Hauses, also innerhalb des Systems. Doch er gab alles an seinen Klassenkameraden weiter, was ja in Ordnung ging, weil sowieso beide Zugang zu Geheimdokumenten hatten - und außerdem brauchte Hicks das Feedback eines klugen Kopfes, den er begriff und dem er vertraute.
    Hicks wußte nicht, daß Henderson noch einen Schritt weiter gegangen war als er. Wenn er schon die Regierungspolitik nicht von innen ändern konnte, hatte Henderson während der »Tage des Zorns« nach dem Einfall in Kambodscha beschlossen, so brauchte er Hilfe von außen - eine außenstehende Gruppierung, die ihm helfen konnte, Schritte der Regierung zu blockieren, die die Welt gefährdeten. Auf der ganzen Welt gab es Leute, die seine Abneigung gegen den Krieg teilten, Menschen, die die Meinung vertraten, daß niemand gezwungen werden konnte, eine Regierungsform zu akzeptieren, die er eigentlich nicht wollte. Der erste Kontakt war in Harvard zustande gekommen, es war ein Freund in der Friedensbewegung. Nun hielt Henderson mit jemand anderem Verbindung. Er hätte diesen Umstand seinem Freund mitteilen sollen, sagte er sich, aber er hatte irgendwie den richtigen Zeitpunkt verpaßt. Wally würde es vielleicht nicht verstehen.
    »... das muß es und wird es«, sagte Henderson, der eine weitere Runde bei der Kellnerin bestellte. »Der Krieg wird zu Ende gehen. Wir werden uns zurückziehen. Vietnam wird die Regierung bekommen, die es will. Wir werden einen Krieg verloren haben, und das wird unserem Land guttun. Wir werden daraus lernen. Wir werden die Grenzen unserer Macht erfahren. Leben und leben lassen, wenn wir das gelernt haben, dann hat der Frieden eine Chance.«
    Kelly stand nach fünf Uhr nachmittags auf. Die Ereignisse des vorangegangenen Tages hatten ihm doch mehr zugesetzt, als er gedacht hatte, und außerdem ermüdete ihn Reisen immer. Aber jetzt war er nicht mehr müde. Nach insgesamt elf Stunden Schlaf in den letzten vierundzwanzig Stunden fühlte er sich vollkommen ausgeruht und wach. Ein Blick in den Spiegel zeigte ihm seinen dichten Zweitagebart. Gut. Dann suchte er sich seine Kleidung aus. Dunkel, weit und alt. Er hatte das ganze Bündel in den Waschraum gebracht, alles heiß und mit Bleichstoff gewaschen, damit der Stoff alterte und die Farben auslaugten. Bereits abgetragene Kleidung war so noch unansehnlicher geworden. Alte weiße Tennissocken und Turnschuhe rundeten die Sache ab, obwohl sie mehr taugten, als es den Anschein hatte. Das Hemd war eine Nummer zu groß und zu lang, was seiner Absicht nur entgegenkam. Eine Perücke vervollständigte das gewünschte Bild. Sie war aus grobem, asiatischem Haar gefertigt, das nicht zu lang war. Er hielt sie unter den Heißwasserhahn und weichte sie ein, dann bürstete er sie in bewußt schlampiger Weise aus. Nun mußte er sich nur noch etwas ausdenken, damit sie so richtig roch, dachte Kelly.
    Die Natur sorgte wieder mal für zusätzliche Deckung. Abendgewitter zogen herauf, schon wirbelte der Wind Laub auf, und Kelly mußte im Regen zu seinem Volkswagen spurten. Zehn Minuten später parkte er bei einem Spirituosenladen, wo er eine Flasche billigen gelben Wein und eine Papiertüte als Hülle dazu kaufte. Er machte den Verschluß ab und goß etwa die Hälfte in den Rinnstein. Dann war es Zeit, aufzubrechen.
    Es sah jetzt alles anders aus, dachte Kelly. Es war keine Gegend mehr, die er einfach so hinter sich lassen konnte, ob er nun Gefahren sah oder nicht. Es war zu einem Ort geworden, an dem er die Gefahr suchte. Er fuhr an der Stelle vorbei, wo er Billy und seinen Roadrunner hingelotst hatte, und sah nach, ob die Reifenspuren noch zu sehen waren - sie waren es nicht. Er schüttelte den Kopf. Das war Vergangenheit, und was ihn jetzt

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