01 - Gnadenlos
Berater eines Senators, und der andere gehörte zum Mitarbeiterstab des Weißen Hauses.
»Es bleibt alles beim alten, Peter«, sagte Hicks resigniert. »Die Friedensgespräche führen zu nichts. Wir massakrieren weiter ihre Leute und sie unsere. Ich glaube nicht, daß es, jedenfalls solange wir leben, je Frieden geben wird.«
»Muß es aber, Wally«, sagte Henderson, der sich sein zweites Bier genehmigte.
»Wenn nicht... « setzte Hicks trübsinnig an.
Beide hatten im Oktober 1962 die Andover-Akademie abgeschlossen, sie waren enge Freunde und Zimmergenossen gewesen und hatten sich Seminararbeiten und Freundinnen geteilt. Zur eigentlichen politischen Reife waren sie an einem Dienstagabend gelangt, als sie am Schwarzweiß-Fernseher im Aufenthaltsraum eine spannungsgeladene Ansprache des Präsidenten ihres Landes ve rfolgt hatten. In Kuba seien Raketen stationiert, erfuhren sie. Zwar kursierte das in den Zeitungen schon seit einigen Tagen, doch sie waren Kinder der Fernsehgeneration, und Realität war nur das, was ihnen aus einer Bildröhre entgegenflimmerte. Für beide war es ein bestürzender, wenn auch etwas später Eintritt in die wirkliche Welt gewesen, auf die sie ihr teures Internat eigentlich früher hätte vorbereiten sollen. Aber sie gehörten zu der behäbigen und trägen Generation von amerikanischen jungen Leuten, um so mehr, als ihre wohlhabenden Eltern sie mit allen für Geld käuflichen Vorrechten nur noch weiter von der Wirklichkeit isoliert hatten, ohne ihnen allerdings beizubringen, wie man mit Geld vernünftig umging.
Beiden war gleichzeitig bestürzend klargeworden: Es konnte alles plötzlich vorbei sein. Aus den aufgeregten Reden im Raum erfuhren sie mehr. Sie waren von Angriffszielen regelrecht umzingelt. Boston im Südosten, der Luftwaffenstützpunkt Westover im Südwesten, zwei weitere Basen des Strategischen Luftkommandos, Pease und Loring, innerhalb eines Umkreises von hundertfünfzig Kilometern. Im Marinehafen Portsmouth waren atomgetriebene U-Boote stationiert. Wenn die Raketen erst flogen, dann würden sie beide nicht überleben; entweder würden die Explosion oder der Fallout sie erwischen. Und sie hatten es beide bisher noch nicht einmal richtig getrieben. Andere Jungen aus dem Schlafsaal hatten das schon von sich behauptet - in einigen Fällen mochte es sogar zutreffen - aber Peter und Wally logen sich nicht an, und keiner war bisher ans Ziel gelangt, trotz wiederholter und ernsthafter Versuche. Wie war es möglich, daß die Welt ihre persönlichen Bedürfnisse nicht berücksichtigte? Gehörten sie nicht zur Elite? Bedeutete ihr Leben denn gar nichts?
In jener Dienstagnacht im Oktober waren Henderson und Hicks aufgeblieben, hatten sich flüsternd unterhalten und versucht, mit einer Welt zurechtzukommen, die sich ohne gebührende Vorwarnung von einem behaglichen in einen gefährlichen Ort verwandelt hatte. Sie mußten eindeutig einen Weg finden, die Verhältnisse zu ändern. Nach dem Schulabschluß gingen sie getrennte Wege, aber da Brown und Harvard nur eine kurze Strecke voneinander entfernt lagen, widmeten sie sich mit wachsendem Ernst sowohl ihrer Freundschaft als auch ihrem Lebensziel. Beide wählten Politologie als Hauptfach, denn das eröffnete ihnen den Zugang zu den Entscheidungen, die auf der Welt wirklich zählten. Beide schlossen mit dem Magister ab, aber vor allem fielen sie einflußreichen Leuten auf - ihre Eltern halfen nicht nur dabei, sondern auch bei der Suche nach einem Regierungsamt, durch das sie vom Militärdienst befreit waren. Man hatte sich früh genug darum gekümmert, daß sich mit einem diskreten Telefonanruf beim richtigen Regierungsbeamten noch alles regeln ließ.
Und so hatten nun beide jungen Männer ihre persönlichen Einstiegspositionen in sensible Ämter erreicht, jeweils als Berater wichtiger Leute. Ihre überspitzten Erwartungen, bereits vor dem dreißigsten Lebensjahr entscheidende politische Rollen zu übernehmen, waren hart gegen die glatte Wand der Realität geprallt, doch tatsächlich waren sie schon näher dran, als ihnen selbst bewußt war. Indem sie Informationen für ihre Chefs sichteten und entschieden, was in welcher Reihenfolge auf dem Schreibtisch ihrer Vorgesetzten landete, konnten sie durchaus auf den Entscheidungsprozeß einwirken; zudem hatten sie Zugang zu den unterschiedlichsten, sogar vertraulichen Daten. Demzufolge wußten sie beide in vieler Hinsicht mehr als ihre Chefs. Und das, dachten Hicks und Henderson, war auch sehr
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