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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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kam.
    Robin Zacharias war allein. Es waren aber noch andere da. Nur kurz hatte er sie gesehen, ohne sich mit ihnen verständigen zu können. Er hatte versucht, einen Code zu klopfen, aber nie hatte jemand geantwortet. Wo sie auch waren, sie waren zu weit weg, oder die Anordnung der Gebäude ließ es nicht zu, oder vielleicht hatte er sein Gehör verloren. Und so hatte er niemanden, mit dem er seine Gedanken austauschen konnte; selbst Gebete halfen bei seinem so regen Verstand nur begrenzt. Er wagte nicht, um Erlösung zu beten - ein Gedanke, den er sich nicht eingestehen konnte, denn da hätte er auch gleich zugeben müssen, daß sein Gottvertrauen schon erschüttert war, und das konnte er nicht zulassen. Doch etwas in ihm wußte, daß er gerade dadurch, daß er nicht um Erlösung betete, durch Unterlassung etwas eingestand. Wenn er nämlich betete und die Erlösung nicht eintrat, könnte sein Gottvertrauen schwinden, und seine Seele wäre verloren. Für Robin Zacharias begann die Verzweiflung nicht mit einem Gedanken, sondern mit der Weigerung, von seinem Gott etwas zu erflehen, das eventuell nicht eintreten würde.
    Das übrige konnte er nicht wissen: Sein Nahrungsmangel, die für einen Mann von seiner Intelligenz so besonders qualvolle Isolation und die nagende Furcht vor dem Schmerz, denn selbst Gottvertrauen konnte Schmerz nicht lindern, und alle Männer kennen diese Furcht. Wenn jemand eine schwere Last trug, ging seine Kraft irgendwann zu Ende, ganz gleich, wie stark er war. Die Schwerkraft hingegen wirkte weiter. Körperkräfte waren leicht zu verstehen, aber in dem Stolz und der Rechtschaffenheit, die er aus seinem Gottvertrauen bezog, hatte er nicht bedacht, daß die Psyche auf den Körper genauso sicher einwirkte wie die Schwerkraft, nur weitaus heimtückischer. Für ihn rührte die überwältigende geistige Erschöpfung aus seiner Anstrengung her, sich nicht brechen zu lassen. Er gab sich für nichts geringeres die Schuld, als menschlich zu sein. Eine Aussprache mit einem anderen Kirchenältesten hätte alles wieder ins Lot gebracht, aber das war nicht möglich, und indem er sich die Ausflucht versagte, seine menschliche Gebrechlichkeit vor sich einzugestehen, trieb Zacharias sich immer weiter in eine selbstgestellte Falle, wozu die Leute, die ihn körperlich und seelisch zerstören wollten, allerdings kräftig beitrugen.
    An diesem Punkt wurde alles noch schlimmer. Die Tür seiner Zelle ging auf. Zwei Vietnamesen in Khakiuniformen schauten ihn an, als wäre er ein Schandfleck in ihrem Land. Zacharias wußte, warum sie hier waren. Er versuchte, ihnen mutig entgegenzutreten. Sie packten ihn, jeder an einem Arm, und ein dritter folgte ihnen mit einem Gewehr in einen größeren Raum - doch bevor er noch durch die Tür trat, wurde ihm der Lauf des Gewehrs fest in den Rücken gestoßen, genau an die Stelle, die immer noch weh tat, volle neun Monate nach seiner Notlandung, und er schnappte vor Schmerz nach Luft. Die Vietnamesen bekundeten nicht einmal Freude über seine Pein. Sie stellten keine Fragen. Ihre Mißhandlungen folgten keinem erkennbaren Muster, die fünf Männer schlugen einfach alle gleichzeitig auf ihn ein, und Zacharias wußte, daß Widerstand den Tod bedeutete. Obwohl er ein Ende seiner Gefangenschaft herbeisehnte, wäre es vielleicht nichts anderes als Selbstmord, auf diese Art den Tod zu suchen, und das war ihm verboten.
    Es war sowieso egal. In Sekundenschnelle wurde ihm jede Möglichkeit irgend etwas zu tun, genommen. Er brach auf dem rauhen Betonboden zusammen und spürte, wie sich die Schläge und Tritte und Schmerzen wie die Zahlen in einem Kontobuch addierten. Seine Muskeln waren vor Schmerz gelähmt, er konnte seine Glieder kaum mehr bewegen; er wünschte, daß es aufhörte, wußte aber, daß dies nie eintreten würde. Bei alldem hörte er nun das hohe Meckern ihrer Stimmen, wie Schakale, Teufel, die ihn peinigten, weil er zu den Aufrechten gehörte und weil sie ihn in die Finger bekommen hatten. Das setzte sich endlos fort.
    Eine laut schreiende Stimme drang durch seine katatonische Erstarrung. Noch ein eher planloser, halb ausgeführter Tritt gegen seine Brust, dann sah er ihre Stiefel sich entfernen. Aus den Augenwinkeln bekam er mit, wie ihre Gesichter zusammenzuckten, während sie zur Tür schauten, wo der Lärm herkam. Ein letztes Brüllen, und schon verschwanden sie hastig. Die Stimme wechselte. Das war doch eine... weiße Stimme? Wie wußte er das? Starke Hände richteten ihn

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