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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Weinkenner, aber er wußte, daß ein anständiger Tafelwein nicht die Farbe von Urin haben sollte. Fluchtartig verließ er das Badezimmer. Seinen Anblick im Spiegel konnte er einfach nicht länger ertragen.
    Er stärkte sich mit einer guten Mahlzeit, aß sich satt an milden Speisen, die seinem Körper Energie geben würden, ohne daß sein Magen rumorte. Dann kam das Training. Seine Erdgeschoßwohnung erlaubte es ihm, auf der Stelle zu laufen, ohne irgendwelche Nachbarn zu stören. Es war nicht das gleiche wie ein richtiger Dauerlauf, aber es mußte genügen. Als nächstes waren die Stemmübungen an der Reihe. Seine linke Schulter war endlich völlig wiederhergestellt, und wenn es in den Muskeln zog, dann auf beiden Seiten gleich stark. Zum Schluß übte er seine Fingerfertigkeit, nicht bloß für die offensichtlichen Zwecke, sondern um darüber hinaus allgemein flinker zu werden.
    Er hatte gestern bei Tageslicht seine Wohnung verlassen, war das Risiko eingegangen, in seiner verkommenen Aufmachung gesehen zu werden, um einen Laden für gebrauchte Kleidung aufzusuchen. Dort hatte er eine Buschjacke aufgetrieben, etliche Nummern zu groß und so fadenscheinig, daß er sie umsonst bekommen hatte. Kelly hatte inzwischen begriffen, daß es nicht leicht war, seine Größe und seine körperliche Verfassung zu verbergen. Aber mit lockerer, abgetragener Kleidung ließ es sich bewerkstelligen. Er hatte es auch nicht versäumt, sich mit den anderen Kunden im Laden zu vergleichen. Dabei hatte er festgestellt, daß seine Verkleidung anscheinend ihre Wirkung erzielte. Wenn er auch nicht die übelste Ausgabe eines Stadtstreichers war, gehörte er doch sicherlich in die untere Kategorie. Wahrscheinlich hatte der Verkäufer ihm die Buschjacke nicht nur deshalb gratis ausgehändigt, um ihn schnell wieder aus dem Geschäft zu bekommen, sondern auch, um Mitleid mit seinen Lebensumständen zu bekunden. War das nicht gelungen? Was hätte er drum gegeben, in Vietnam als einfacher Dorfbewohner durchgehen und in aller Ruhe auf die Ankunft der bösen Buben warten zu können.
    In der vergangenen Nacht hatte er seine Erkundungen fortgesetzt. Niemand hatte groß Notiz von ihm genommen, als er durch die Straßen gegangen war, bloß ein weiterer dreckiger, stinkiger Trunkenbold, den zu überfallen sich nicht lohnte. Damit hatten sich seine Sorgen, daß man ihm ansehen könnte, wer er wirklich war, erledigt. Er hatte wieder fünf Stunden in seinem Ausguck verbracht, die Straßen vom Fenster im zweiten Stock des leerstehenden Hauses aus beobachtet und dabei festgestellt, daß die Polizeistreifen nur rein routinemäßig vorbeikamen und die Busse regelmäßiger fuhren, als er ursprünglich geschätzt hatte.
    Als er mit seinen Übungen fertig war, nahm er seine Pistole auseinander und reinigte sie, obwohl sie seit dem Rückflug von New Orleans nicht mehr benützt worden war. Den Schalldämpfer unterzog er der gleichen Prozedur. Er baute beides wieder zusammen, prüfte, ob alle Teile auch gut saßen. Er hatte eine kleine Änderung vorgenommen, Nun war oben auf dem Schalldämpfer eine feine weiße Linie, damit er nachts besser peilen konnte. Für Schüsse aus großer Entfernung reichte das nicht, aber so etwas hatte er auch nicht vor. Als die Pistole wieder einsatzbereit war, lud er eine Patrone in die Kammer und klappte vorsichtig den Hahn zurück, bevor er die restliche Munition unten in den Griff schob. Er hatte sich auch in einem Laden für Armeerestbestände ein Ka-Bar-Marinekampfmesser angeschafft. Während seiner Straßenbeobachtung in der vorigen Nacht hatte er die fünfzehn Zentimeter lange Klinge sorgsam an einem Schleifstein gewetzt. Die Leute fürchteten ein Messer sogar noch mehr als eine Kugel, was dumm war, aber nützlich. Pistole und Messer wurden nebeneinander hinten im Gürtel verstaut, gut verborgen durch das bauschige dunkle Hemd und die Buschjacke. In eine der Jackentaschen kam eine Whiskeyflasche mit Leitungswasser. In die andere vier Snickers. Um die Hüfte hatte er sich ein Elektrokabel geschlungen. In der Hosentasche befand sich ein Paar Gummihandschuhe. Sie waren gelb, was sie sehr auffällig machte, aber er hatte keine anderen finden können. Sie bedeckten seine Hände, ohne Tastsinn und Beweglichkeit zu beeinträchtigen, und er beschloß, sie mitzunehmen. Er hatte bereits ein Paar Arbeitshandschuhe aus Baumwolle im Auto, die er beim Fahren trug. Nach dem Kauf des Wagens hatte er ihn innen und außen gewaschen, alle Glas-,

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