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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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jungen Leuten vorbei, doch niemand bedachte ihn mit mehr als einem spöttischen Lachen. Die Hintertür zu seinem Ausguck war noch angelehnt, diesmal waren glücklicherweise keine Ratten da. Drinnen hielt Kelly lauschend inne, und da er nichts hörte, richtete er sich zu voller Größe auf und gönnte sich etwas Entspannung,
    »Schlange an Chicago«, flüsterte er sich in der Erinnerung an seinen alten Decknamen zu. »Bin unbemerkt am Beobachtungspunkt angelangt.« Kelly stieg zum dritten- und letztenmal die gleiche baufällige Treppe hoch, fand seinen gewohnten Platz in der Südostecke, setzte sich hin und schaute hinaus.
    Archie und Knacki waren auch an ihrem gewohnten Platz einen Block entfernt. Er sah sie sofort, wie sie gerade mit einem Autofahrer redeten. Es war zwölf nach zehn. Kelly genehmigte sich einen Schluck Wasser und einen Schokoriegel, lehnte sich zurück, hielt nach Veränderungen in ihrem gewöhnlichen Aktivitätsmuster Ausschau, konnte aber nach einer halbstündigen Beobachtungsphase keine feststellen. Big Bob war ebenfalls an seinem Platz, desgleichen sein Leutnant, den Kelly nun Little Bob nannte. Auch Charlie Brown war heute nacht wieder im Geschäft, ebenso Dagwood. Der erstere arbeitete immer noch allein, während der letztere sich mit einem Leutnant zusammengetan hatte, für den Kelly noch keinen Namen gefunden hatte. Aber Wizard war heute nicht zu sehen. Es stellte sich heraus, daß er später kam, kurz nach elf, zusammen mit seinem Komplizen, den Kelly Toto nannte, denn er wieselte gern wie ein Hündchen herum, das in das Körbchen hinten auf dem Fahrrad der bösen Hexe gehörte. »Und dein Hündchen auch... « flüsterte Kelly belustigt.
    Wie erwartet, war Sonntag nacht weniger los als in den beiden vorhergehenden Nächten, doch Archie und Knacki schienen beschäftigter zu sein als die anderen. Das lag vielleicht daran, daß sie einen gehobeneren Kundenstamm hatten. Obgleich alle die örtlichen wie die auswärtigen Kunden bedienten, schienen zu Archie und Knacki doch öfter größere Wagen zu kommen, deren blitzblanke Sauberkeit Kelly zu dem Schluß veranlaßte, daß sie nicht aus diesem Teil der Stadt stammten. Die Vermutung war vielleicht nicht richtig, aber für seine Mission war sie ohnehin unbedeutend. Was wirklich wichtig war, hatte er in der vorigen Nacht auf seinem Gang in das Gebiet beobachtet und auch heute wieder bestätigt bekommen. Nun mußte er nur noch warten.
    Kelly machte es sich bequem. Sein Körper entspannte sich nun, da alle Entscheidungen getroffen waren. Er starrte auf die Straße hinunter, immer noch hellwach, beobachtete, lauschte und registrierte das Kommen und Gehen, während die Minuten verrannen. Um zwanzig vor eins überquerte ein Funkstreifenwagen die Kreuzung, er tat nichts anderes, als Flagge zu zeigen. In ein paar Minuten würde er wahrscheinlich noch mal zurückkommen. Die Linienbusse mit ihren Dieselmotoren brummten vorbei, und Kelly erkannte den um ein Uhr zehn, dessen Bremsen repariert werden mußten. Ihr schrilles Quietschen mußte jedem Menschen auf die Nerven gehen, der entlang dieser Linie zu schlafen versuchte. Nach zwei wurde der Verkehr merklich weniger. Die Dealer rauchten und redeten nun mehr. Big Bob kam über die Straße, um Wizard etwas zu sagen, und sie schienen ein recht herzliches Verhältnis zueinander zu haben, was Kelly überraschte. Das hatte er vorher noch nicht gesehen. Vielleicht brauchte der Mann nur Wechselgeld für einen Hunderter. Der Polizeiwagen kam planmäßig vorbei. Kelly verspeiste den dritten Riegel Snickers. Die Verpackung steckte er ein. Er überprüfte noch mal seine Wachstation. Es war nichts liegengeblieben. Er hatte nichts angefaßt, wo eventuell Fingerabdrücke zurückbleiben konnten. Hier gab es einfach zuviel Staub und Schutt, und er hatte sehr sorgfältig darauf geachtet, keine Fensterscheibe zu berühren.
    Okay.
    Kelly ging die Treppe hinunter und zur Hintertür hinaus. Er überquerte die Straße und verschwand in der Verlängerung der parallel verlaufenden Gasse, die ganze Zeit hielt er sich soweit wie möglich im Schatten und bewegte sich mit den üblichen schlurfenden Schritten. Trotzdem kam er jetzt zielstrebiger und auch leiser voran.
    Das Geheimnis der ersten Nacht hatte sich als Segen erwiesen. Archie und Knacki waren im Verlauf von nicht mehr als zwei oder drei Sekunden von der Bildfläche verschwunden. Länger hatte er sie nicht aus den Augen gelassen. Sie waren nicht weggefahren, und sie hatten nicht

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