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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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erwartet. Knacki schien sowieso nicht sehr zum Reden aufgelegt gewesen zu sein, und die Zeit lief ab.
    »Ich habe doch bitte gesagt, oder nicht?«
    »Heiliger Strohsack, Mann!« schnarrte die Stimme leise, denn, soviel wußte er, lauteres Sprechen hätte den Tod bedeutet.
    »Billy. Roter Plymouth Roadrunner, gibt gern ein bißchen an. Er ist ein Verteiler. Ich möchte wissen, wo er sich rumtreibt«, sagte Kelly leise.
    »Wenn ich dir das verrate... «
    »Dann kriegst du einen neuen Lieferanten. Mich«, sagte Kelly. »Und wenn du Billy sagst, daß ich hier bin, dann wirst du bald mit deinem Freund Wiedersehen feiern«, fügte er hinzu und deutete auf die noch warme Leiche, die wie ein schlaffer Sack an Archies Seite gepreßt lag. Er mußte dem Mann schließlich Hoffnung machen. Vielleicht sogar eine etwas zweifelhafte Wahrheit auftischen, dachte Kelly. »Verstehst du? Billy und seine Freunde haben sich mit den falschen Leuten rumgetrieben, und es ist mein Job, das zu regeln. Tut mir leid um deinen Freund, aber ich mußte doch zeigen, daß ich es ernst meine und so.«
    Archie versuchte, seine Stimme in den Griff zu kriegen, was ihm aber nicht ganz gelang, obwohl er jetzt nach dem angebotenen Rettungsring griff. »Sieh mal, Mann, ich kann doch nicht... «
    »Ich kann jederzeit jemand anderen fragen.« Kelly legte eine bedeutsame Pause ein. »Verstehst du, was ich gerade gesagt habe?«
    Das tat Archie, zumindest dachte er das, und so redete er freiweg, bis es Zeit für ihn war, seinem Freund Knacki Gesellschaft zu leisten.
    Eine rasche Durchsuchung von Archies Taschen förderte ein ansehnliches Bündel Scheine und eine Anzahl kleiner Briefchen mit Drogen zutage, die in Kellys Jackentaschen wanderten. Er stieg vorsichtig über die beiden Leichen hinweg und ging wieder zu der Gasse zurück, wobei er sich noch einmal umdrehte, um sicherzugehen, daß er nicht in Blut getreten war. Die Schuhe würde er sowieso wegwerfen. Kelly band die Dosen los und legte sie wieder dorthin, wo er sie gefunden hatte. Dann verfiel er in seine betrunkene Gangart und machte sich in einem großen Bogen auf den Weg zu seinem Auto, wobei er mit jedem Schritt sein sorgfältig antrainiertes Verhalten aufrechterhielt. Gott sei Dank, dachte er, als er wieder nach Norden fuhr, heute nacht würde er duschen und sich rasieren können. Aber was zum Teufel sollte er mit den Drogen anfangen? Diese Frage würde das Schicksal für ihn beantworten müssen.
    Die Wagen trafen kurz nach sechs Uhr ein, eine durchaus nicht unpassende Stunde für die erwachende Betriebsamkeit auf einem Marinestützpunkt. Es waren fünfzehn Schrottkisten, nicht älter als drei Jahre, aber alles Totalschäden von Autounfällen und für ein Butterbrot erworben. Das einzig Ungewöhnliche an ihnen war, daß sie, auch wenn sie nicht mehr fahrtüchtig waren, doch so aussahen, als wären sie es. Der Arbeitstrupp bestand aus Marinesoldaten unter Aufsicht eines Artillerieoffiziers, der keine Ahnung hatte, was das alles bedeuten sollte. Aber das brauchte er auch gar nicht. Die Autos wurden aufs Geratewohl hingestellt, nicht ordentlich militärisch ausgerichtet, sondern eher so, wie wirkliche Menschen einparkten. Das dauerte eineinhalb Stunden, dann verschwand der Arbeitstrupp. Um acht Uhr früh traf ein weiterer Trupp ein, diesmal mit Schaufensterpuppen. Sie waren unterschiedlich groß und in alte Kleidung gesteckt worden. Die Kindergrößen kamen auf die Schaukeln und in den Sandkasten. Die Erwachsenenpuppen wurden mit Hilfe der Metallständer aufgestellt, die mitgeliefert worden waren. Auch der zweite Arbeitstrupp verschwand, sollte aber auf unbestimmte Zeit zweimal am Tag wiederkommen, um die Puppen nach dem Zufallsprinzip herumzuschieben. Die Anweisungen dazu waren von irgendeinem Trottel von Offizier, der nichts Besseres zu tun hatte, erdacht und niedergeschrieben worden.
    Kellys Aufzeichnungen hatten sich mit der Tatsache auseinandergesetzt, daß einer der erschöpfendsten und zeitraubendsten Aspekte des Unternehmens KINGPIN in der Notwendigkeit bestanden hatte, die Nachbildung des Lagers jeden Tag neu aufzubauen und niederzureißen. Ihm war das nicht als erstem aufgefallen. Wenn ein sowjetischer Aufklärungssatellit auf dieses Gelände aufmerksam wurde, würde er eine merkwürdige Ansammlung von Gebäuden sehen, die keinem erfindlichen Zweck dienten. Er würde auch einen Kinderspielplatz registrieren, mit Kindern, Eltern, geparkten Wagen, die allesamt jeden Tag anders angeordnet waren.

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