01 - Gnadenlos
Diese Information würde die andere, viel offensichtlichere Feststellung aufwiegen, daß sich nämlich dieses Freizeitgelände einen Kilometer von jeder geteerten Straße entfernt und außer Sicht der übrigen Anlagen befand.
16 Übungen
Ryan und Douglas hielten sich im Hintergrund und ließen die Gerichtsmediziner ihre Arbeit erledigen. Die Entdeckung war kurz nach fünf Uhr früh gemacht worden. Der Polizist Chuck Monroe war auf seiner routinemäßigen Streife die Straße entlanggefahren und hatte, als er einen ungewöhnlichen Schatten in dieser Unterführung erspähte, mit den Scheinwerfern hineingeleuchtet. Die dunkle Gestalt hätte leicht ein Betrunkener sein können, der seinen Rausch ausschlief, aber das helle Licht hatte sich auch in einer roten Lache gespiegelt und das Backsteingewölbe in einen rosa Schimmer getaucht, der vom ersten Augenblick an unpassend ausgesehen hatte. Monroe hatte seinen Wagen abgestellt und sich die Sache näher angesehen, dann bei der Wache angerufen. Der Polizeibeamte lehnte nun an seinem Auto, rauchte eine Zigarette und ging die Einzelheiten seiner Entdeckung durch, was für ihn weniger schrecklich war, als sich Zivilisten vielleicht vorstellten, da es ganz routinemäßig geschah. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, einen Krankenwagen zu rufen. Für diese beiden Männer kam eindeutig jede ärztliche Hilfe zu spät.
»Körper können ganz schön bluten«, bemerkte Douglas. Es war keine Äußerung von irgendeiner Bedeutung, nur Worte, um das Schweigen zu füllen, während die Kameras aufblitzten und einen letzten Farbfilm verschossen. Es sah aus, als wären zwei große Kanister rote Farbe ausgegossen worden.
»Zeitpunkt des Todes?« fragte Ryan den Leichenbeschauer.
»Nicht allzu lange her«, erwiderte der Mann und hob zur Verdeutlichung eine Hand. »Noch kein Rigor. Auf jeden Fall nach Mitternacht, wahrscheinlich nach zwei.«
Nach der Todesursache brauchte nicht gefragt zu werden. Die Löcher in der Stirn der beiden Männer beantworteten das von selbst.
»Monroe?« rief Ryan. Der junge Beamte kam herüber. »Was wissen Sie von den beiden?«
»Beides Dealer. Der ältere hier rechts ist Maceo Donald, Straßenname Ju-Ju. Den links kenne ich nicht, aber er hat mit Donald zusammengearbeitet.«
»Scharfes Auge, daß Sie die entdeckt haben. Sonst noch etwas?« fragte Kommissar Douglas.
Monroe schüttelte den Kopf. »Nein, Sir. Überhaupt nichts. An sich eine ziemlich ruhige Nacht im Bezirk. Ich bin während meiner Schicht etwa viermal hier vorbeigekommen, und alles sah ganz normal aus. Die üblichen Dealer bei ihren üblichen Geschäften.« Die unterschwellige Kritik an der Situation, die für alle schon als normal galt, blieb unerwidert. Schließlich war es Montag früh, und das allein war für alle Beteiligten schon schlimm genug.
»Fertig«, sagte der ältere Fotograf. Er und sein Kollege auf der anderen Seite der Leichen räumten das Feld.
Ryan sah sich schon um. Der Durchgang war bereits ganz gut erhellt, doch der Kommissar knipste zusätzlich seine große Taschenlampe an und leuchtete damit in die Ecken der Passage, weil er sehen wollte, ob da nicht irgendwo etwas kupferfarbenes aufblitzte.
»Irgendwelche Patronenhülsen gesehen, Tom?« fragte er Douglas, der genau das gleiche tat.
»Negativ. Sie wurden doch aus dieser Richtung erschossen, meinst du nicht auch?«
»Die Leichen sind nicht bewegt worden«, sagte der Leichenbeschauer überflüssigerweise und fügte hinzu: »Ja, eindeutig beide von dieser Seite aus erschossen. Beide lagen am Boden, als sie abgeknallt wurden.«
Douglas und Ryan untersuchten dreimal gründlich jeden Zentimeter des Durchgangs, denn Gründlichkeit war in ihrem Beruf die stärkste Waffe, und sie konnten sich so viel Zeit lassen, wie sie nur wollten - zumindest ein paar Stunden, was aufs gleiche hinauslief. So einen Tatort hatten sie sich schon immer gewünscht. Kein Gras, um Beweisstücke zu verbergen, keine Möbel, nur ein blanker, nicht einmal zwei Meter breiter Backsteingang ohne irgendwelche Nischen. Das würde ungeheuer viel Zeit sparen.
»Rein gar nichts, Em«, sagte Douglas nach seiner dritten Runde.
»Dann wahrscheinlich ein Revolver.« Es war eine logische Schlußfolgerung. Die leichten .22er-Hülsen aus einer Automatik konnten unglaublich weit fliegen und waren so klein, daß ihr Auffinden einen zur Verzweiflung treiben konnte. Der Verbrecher war selten, der sein Messing wieder aufsammelte, und vier kleine .22er im
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