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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Irvin als nächstes. Er wußte, daß er nun seine Antwort erhalten würde.
    »Kommt dem ziemlich nahe, ja. Sie dürften es bald erfahren.«
    »Sie müssen mir mehr erzählen, Mr. Clark. Ich hab die Verantwortung für die Marines.«
    »Das Gelände ist genau entsprechend dem Original angelegt. Hören Sie, ich geh auch da rein, schon vergessen?«
    »Reden Sie weiter«, bat Irvin mit sanftem Nachdruck.
    »Ich habe bei der Planung mitgearbeitet. Mit den richtigen Leuten schaffen wir es. Sie haben hier gute Jungs. Ich will nicht sagen, es wird leicht oder irgendeinen ähnlichen Blödsinn, aber ganz so schwer ist es nun auch wieder nicht Hab schon Schlimmeres gemacht. Sie sicher auch. Das Training läuft prima. Für mich sieht es jedenfalls recht gut aus.«
    »Sind Sie sicher, es lohnt sich?«
    Das war eine Frage von so tiefgreifender Bedeutung, daß nur wenige sie verstanden hätten. Irvin hatte zwei Einsatzperioden in Vietnam hinter sich, und obwohl Kelly nicht sein offizielles »Lametta« an Auszeichnungen gesehen hatte, mußte es sich eindeutig um einen Mann handeln, der schon einiges durchgemacht hatte. Nun sah Irvin die mögliche Vernichtung seines Marinekorps vor sich. Männer starben für Hügel, die wieder preisgegeben wurden, sobald sie eingenommen und die Gefallenen beseitigt worden waren, und sechs Monate später lief noch mal das gleiche ab. Ein Berufssoldat haßte Wiederholungen. Wenn sie auch beim Training gang und gebe waren - sie hatten das Gelände unzählige Male »gestürmt« -, so sollte im wirklichen Krieg eigentlich nur einmal um jeden Schauplatz gekämpft werden. Auf die Art konnte ein Mann erkennen, daß es voranging. Und bevor er ein neues Ziel ins Auge faßte, konnte er zurückblicken, um zu sehen, wie weit er gekommen war, und die Erfolgschancen nach dem berechnen, was er zuvor gelernt hatte. Aber wenn man zum drittenmal für dasselbe Stück Boden Soldaten sterben sah, dann wußte man Bescheid. Dann wußte man einfach, wohin das Ganze führen würde. Ihr Land schickte sie immer noch da rüber und verlangte von ihnen, ihr Leben für ein dreckiges Stück Boden aufs Spiel zu setzen, das so schon mit amerikanischem Blut getränkt war. Die Wahrheit war, daß Irvin sich eigentlich nicht freiwillig ein drittes Mal zu einem Kampfeinsatz gemeldet hätte. Aber dabei ging es nicht um Mut, Hingabe oder Vaterlandsliebe. Er wußte einfach, daß sein Leben zu wertvoll war, um für nichts und wieder nichts aufs Spiel gesetzt zu werden. Er hatte den Eid geleistet, sein Vaterland zu verteidigen, das gab ihm dann aber auch das Recht, etwas dafür zu verlangen - ein Unternehmen, für das es sich zu kämpfen lohnte, nicht irgendwelcher sinnloser Kleinkram, sondern etwas Richtiges. Dennoch fühlte Irvin sich schuldig. Er fühlte, daß er die Treuepflicht verletzt, das Motto des Korps verraten hatte: Semper fidelis - Auf ewig treu. Dieses Schuldgefühl hatte ihn genötigt, sich trotz seiner Zweifel und Fragen ein letztes Mal freiwillig zu einem Einsatz zu melden. Wie ein Mann, dessen Frau einen Seitensprung gemacht hat, konnte Irvin seine Liebe und Zuneigung nicht einfach abstellen. Und er würde es auch hinnehmen, wenn seine Schuldgefühle von denen, die sie ausgelöst hatten, nicht anerkannt wurden.
    »Irvin, ich darf Ihnen das nicht sagen, aber ich tu's trotzdem. Unser Einsatzort ist ein Gefangenenlager, wie Sie sich wohl schon gedacht haben.«
    Irvin nickte. »Da steckt doch noch mehr dahinter. Muß doch.«
    »Es ist kein gewöhnliches Lager. Die Männer dort sind alle tot.« Kelly stellte sein Bier ab. »Ich hab die Fotos gesehen. Einen Mann haben wir eindeutig identifiziert, einen Colonel der Luftwaffe. Die NVA hat verlauten lassen, er wäre umgekommen, und deshalb glauben wir, daß diese Burschen nie wieder zurückkehren werden, wenn wir sie nicht rausholen. Ich will da auch nicht wieder hin. Mann, ich hab Schiß. okay? Aber, o Mann, ich bin gut, in solchen Sachen bin ich echt gut. Gute Ausbildung, vielleicht liegt mir so was im Blut.« Kelly hob die Schultern, das Nächstliegende wollte er lieber nicht sagen,
    »Ja, aber das geht nur eine Zeitlang gut.« Irvin reichte ihm noch ein Bier.
    »Ich dachte, jeder kriegt nur drei.«
    »Ich bin Methodist, dürfte eigentlich überhaupt nichts trinken.« Irvin lachte in sich hinein. »Die Leute mögen uns, Mr. Clark.«
    »Verdammte Hurensöhne sind wir doch, oder? Dort im Lager verhören womöglich Russen unsere Leute, die alle einen hohen Rang haben und die wir

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