Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
retten?«
    »Ich will es versuchen.« Er konnte ihr das nicht abschlagen, nicht, wo ihre warme Hand auf der seinen lag. Kelly steckte in der Falle, denn nun, wo er einmal sein Wort gegeben hatte, durfte er es nicht mehr brechen. »Aber im Augenblick habe ich ganz andere Sorgen.« Was sogar stimmte.
    »Wie erfahre ich, John... Ich meine... «
    »Was mit mir los ist?« Es überraschte ihn, daß sie sich dafür noch interessierte.
    »John, Sie können mich nicht einfach im Ungewissen lassen.«
    Kelly dachte kurz nach. Dann zog er einen Stift aus der Tasche und schrieb eine Telefonnummer auf einen Zettel. »Dies ist die Nummer von - einem gewissen Admiral Greer. Er ist über alles informiert, Sandy.«
    »Bitte sehen Sie sich vor.« Ihr Griff und ihre Augen drückten jetzt wirkliche Verzweiflung aus.
    »Ganz bestimmt, das verspreche ich. Ich weiß, worauf es ankommt.«
    Tim wußte das auch. Das brauchte sie nicht auszusprechen, das sagten schon ihre Augen. Und Kelly merkte, wie grausam so ein Abschied sein konnte.
    »Ich muß jetzt los, Sandy.«
    »Sorgen Sie dafür, daß Sie zurückkommen.«
    »Ganz bestimmt, das tue ich.« Doch selbst in seinen Ohren klangen die Worte hohl. Kelly hatte sie gern geküßt, aber er wagte es nicht. Er rückte vom Tisch ab. Ihre Hand blieb auf seiner liegen. Sie war eine große, starke und tapfere Frau, aber sie hatte einen schmerzlichen Verlust erlitten. Und jetzt fürchtete Kelly, er könnte ihr neuen Schmerz zufügen. »Wir sehen uns dann in ein paar Wochen. Grüßen Sie bitte Sarah und Doris von mir.«
    »Ja,« Sie folgte ihm zur Haustür. »John, wenn Sie zurückkommen, dann hören Sie damit auf.«
    »Ich denke darüber nach«, sagte er, ohne sich umzuwenden. Er wagte nicht, ihr in die Augen zu sehen. »Das tue ich wirklich.«
    Kelly öffnete die Haustür. Draußen war es inzwischen dunkel geworden, und er mußte sich beeilen, um noch rechtzeitig nach Quantico zu kommen. Er hörte sie hinter sich, hörte sie atmen. Zwei Frauen in seinem Leben waren tot, die eine durch einen Unfall die andere durch einen Mord. Und die dritte stieß er jetzt womöglich aus eigener Schuld von sich fort.
    »John?« Sie hatte seine Hand noch nicht losgelassen, und jetzt mußte er sich trotz seiner Scheu zu ihr umdrehen.
    »Ja, Sandy?«
    »Komm zurück!«
    Er strich ihr über die Wange und küßte ihre Hand. Dann wandte er sich ab. Sie blickte ihm nach, als er zum Volkswagen ging und fortfuhr.
    Selbst jetzt, dachte sie. Selbst jetzt will er mich noch beschützen.
    Ist es genug? Kann ich jetzt aufhören? Aber was war schon »genug«? »Denk mal drüber nach«, sagte er laut zu sich selbst. »Was weißt du, was die andere Seite auch auswerten kann?«
    Und das war nicht wenig. Billy hatte eifrig geplaudert. Die Drogen wurden auf einem der Schiffswracks abgepackt. Über Henry und Burt wußte er Bescheid. Ihm war auch bekannt, daß ein ranghöherer Beamter des Rauschgiftdezernats in Henrys Diensten stand. Konnte die Polizei mit diesen Informationen ein so dichtes Netz um alle Beteiligten spannen, daß sie wegen Rauschgifthandel und Mord hinter Schloß und Riegel kamen? Konnte Henry damit zum Tode verurteilt werden? Und selbst wenn er all diese Fragen mit ja beantworten würde, reichte das dann aus?
    Nicht nur Sandys Vorbehalte, sondern auch seine Zusammenarbeit mit den Marines hatten ihm diese Fragen ins Bewußtsein gerufen. Was würden diese Männer von ihm denken, wenn sie wüßten, daß er gemordet hatte. Würden sie seine Taten als Mord betrachten oder sie so einschätzen wie er?
    »Die Plastiktüten stinken«, hatte Billy gesagt. »So wie dieses Zeug, das man bei Leichen verwendet.«
    Was zum Teufel hat das zu bedeuten? fragte sich Kelly, als er ein letztes Mal die Stadt durchquerte. Mehrmals stieß er auf Streifenwagen im Einsatz. Sie konnten doch nicht alle von korrupten Polizisten gefahren werden? Oder etwa doch?
    »Scheiße!« schimpfte Kelly über den Verkehr. »Sieh zu, daß du den Kopf klar kriegst, Seebär. Du hast einen Einsatz vor dir, einen, der sich gewaschen hat.«
    Und damit war alles gesagt. BOXWOOD GREEN war ein Einsatz, der sich gewaschen hatte, das wurde ihm nun plötzlich überdeutlich bewußt. Wenn nicht einmal jemand wie Sandy ihn verstehen konnte - es war eine Sache, auf sich allein gestellt zu sein, allein zu sein mit seinen Gedanken, seiner Wut und seiner Einsamkeit. Aber wenn selbst diejenigen, die wußten, wie es war und worum es ging, Menschen, die dich gern mochten, was war, wenn

Weitere Kostenlose Bücher