01 - Gnadenlos
selbst die verlangten, daß du aufhörst...
Was war richtig? Was war falsch? Und wo verlief die Linie, die richtig von falsch trennt? Auf dem Highway war das kein Problem. Die Straßenarbeiter pinselten den weißen Strich, und du mußtest lediglich darauf achten, nicht auf die andere Seite zu geraten. Doch im richtigen Leben war das nicht so einfach.
Vierzig Minuten später war er auf dem Interstate 495, dem Umgehungsring von Washington. Was war wichtiger: Henry zu töten oder die anderen Frauen dort rauszuholen?
Weitere vierzig Minuten später hatte er den Fluß überquert und war in Virginia. Er hatte Doris lebend vorgefunden, nachdem er bei ihrem ersten Zusammentreffen hatte befürchten müssen, sie wäre bald ebenso tot wie Rick. Je mehr er darüber nachdachte, um so froher stimmte es ihn.
Bei BOXWOOD GREEN ging es nicht um das Töten von Menschen. Es war ein Rettungseinsatz. Er wandte sich nach Süden auf die Interstate 95, und nach siebzig Kilometern traf er in Quantico ein. Als er auf das Trainingsgelände fuhr, war es halb zwölf.
»Sie haben's ja gerade eben noch geschafft«, bemerkte Marty Young trocken. Zur Abwechslung trug er eine Tarnuniform anstelle seines Khakihemds.
Kelly blickte dem General offen in die Augen. »Sir, mein Abend war nicht gerade angenehm. Also bitte, seien Sie so nett und verkneifen Sie sich Ihre Bemerkungen.«
Young nahm ihm das nicht übel. »Mr. Clark, das klingt ganz so, als wären Sie jetzt soweit.«
»Darum geht es nicht, Sir. Die Männer in SENDER GREEN sind soweit.«
»Da haben Sie recht, Sie Klugscheißer.«
»Kann ich das Auto hier stehenlassen?«
»Diese Klapperkiste?«
Kelly überlegte kurz, dann war die Entscheidung gefallen. »Ich glaube, es hat seinen Dienst getan. Verschrotten Sie es mit den anderen.«
»Kommen Sie, unten am Berg wartet der Bus auf uns.«
Kelly suchte seine Ausrüstungsgegenstände zusammen und trug sie zu dem Stabswagen. Dann wurden Kelly und der Marineflieger, der die Männer nicht begleiten würde, von demselben Fahrer wie auf seiner Fahrt nach Baltimore zum Bus gebracht.
»Was denken Sie, Clark?«
»Sir, ich glaube, wir haben eine gute Chance.«
»Ich wünschte, wir könnten einmal, nur ein einziges gottverdammtes Mal sagen, diesmal klappt's bestimmt.«
»Haben Sie das schon mal erlebt?« fragte Kelly.
»Nein«, gab Young zu. »Aber man wünscht es sich immer wieder.«
»Wie war's in England, Peter?«
»Ganz nett. In Paris hat es geregnet, aber Brüssel ist eine hübsche Stadt. Ich war zum erstenmal dort«, erzählte Henderson.
Sie wohnten nur wenige Straßenzüge voneinander entfernt, in jenen bequemen Apartments, die Ende der 30er Jahre gebaut worden waren, um die steigende Nachfrage durch Staatsdiener der anwachsenden Bürokratie zu befriedigen.
Die massiven Steinbauten waren weitaus solider als die Gebäude neueren Ursprungs. Hicks verfügte über eine Wohnung mit zwei Schlafzimmern, wodurch ausgeglichen wurde, daß das Wohnzimmer relativ klein war.
»Wolltest du mir nicht irgendwas Bestimmtes erzählen?« fragte der Sekretär des Senators, der noch immer unter der Zeitumstellung litt.
»Es ist wieder eine Invasion in den Norden geplant«, seufzte der Assistent aus dem Weißen Haus.
»Wie bitte? Mensch, ich komme gerade von den Friedensverhandlungen, ich habe die Gespräche dort mit eigenen Ohren verfolgt. Es kommt Bewegung ins Ganze. Die andere Seite hat gerade ein paar gewaltige Zugeständnisse gemacht.«
»Das kannst du in den Wind schreiben«, klagte Hicks.
Auf dem Couchtisch lag ein Plastiksäckchen mit Marihuana, und er begann, einen Joint zu basteln.
»Du solltest die Finger von dem Mist lassen, Wally,« »Davon kriege ich wenigstens keinen Kater wie vom Bier. Und überhaupt, wo ist da schon der Unterschied.«
»Der Unterschied ist deine verdammte Sicherheitsüberprüfung, kapiert«, sagte Henderson nachdrücklich.
»Was macht das schon? Man hört uns ja sowieso nicht zu, Peter. Wir reden und reden, und niemand hört uns zu.«
Hicks zündete den Joint an und nahm einen tiefen Zug. »Ich mache hier sowieso bald Schluß. Dad möchte, daß ich ins Familienunternehmen einsteige. Vielleicht verdiene ich demnächst meine erste Million. Und vielleicht hört mir dann endlich mal jemand zu.«
»Du solltest das nicht so schwer nehmen, Wally. So was braucht seine Zeit. Gut Ding will Weile haben. Denkst du etwa, wir können über Nacht die Welt verändern?«
»Ich glaube, wir können überhaupt nichts
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