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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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C-141 und dem Luftstrom kam ein ständiges schrilles Pfeifen, denn im Gegensatz zur zivilen Luftfahrt verschwendete die Air Force keinen Pfennig auf Schallisolation. Die Marines trugen Kopfhörer, die ein Gespräch unmöglich machten, nach einer Weile jedoch auch nicht mehr den Lärm abhielten. Das schlimmste an dieser Reise ist die Langeweile, dachte Kelly, das und die durch den Lärm verursachte Isolation. Schließlich konnte man nicht immer nur schlafen. Um sich zu beschäftigen, schliffen einige Männer Messer, die nie zum Einsatz kommen würden - aber ein Krieger mußte eben ein Messer haben. Andere machten auf dem Metalldeck der Frachtmaschine Liegestütze. Die Männer von der Air Force sahen mit unbewegtem Gesicht zu und verkniffen sich ihr Schmunzeln. Sie hätten gern gewußt, was diese offensichtlich ausgewählte Gruppe von Marines vorhatte, trauten sich aber nicht, zu fragen. Noch eins von diesen Rätseln, an die sie schon gewohnt waren. Was es auch sein mochte, sie wünschten den Marines Glück bei ihrem mysteriösen Einsatz.
    Das erste, was ihm durch den Kopf schoß, als er die Augen öffnete, war die Frage: Was soll ich jetzt unternehmen? Henderson war verwirrt.
    Es war nicht gerade das, was er unbedingt wollte, aber es lag jedenfalls im Rahmen seiner Möglichkeiten. Er hatte schon früher Informationen weitergeleitet. Zunächst, ohne es zu wissen, durch seine Bekannten in der Friedensbewegung. Eigentlich hatte er weniger sein Wissen preisgegeben, als sich vielmehr an den hitzigen Diskussionen beteiligt, die mit der Zeit immer konkreter geworden waren, bis ihm eine Freundin irgendwann eine Frage gestellt hatte, die zu direkt war, um auf zufälligem Interesse zu beruhen. Liebevoll hatte sie die Frage gestellt, in einem liebevollen Augenblick. Doch ihr Blick hatte verraten, daß sie mehr an der Antwort interessiert war als an ihm. Dies hatte sich schnell geändert, nachdem er ihr geantwortet hatte. Ein süßer Köder, hatte er sich später vorgehalten, als er wütend war, daß er in eine derartig offensichtliche und altbekannte Falle getappt war - aber nicht unbedingt ein Fehler. Er mochte sie, sie teilten die gleiche Vorstellung, wie die Welt aussehen sollte, und ihn ärgerte nur, daß sie es für nötig gehalten hatte, seinen Körper zu manipulieren, um etwas zu erhalten, das ihr sein Verstand freiwillig gegeben hätte - zumindest vielleicht.
    Sie war nicht mehr da. Henderson wußte nicht, wo sie jetzt lebte, war aber überzeugt, daß er sie nie wiedersehen würde. Eigentlich traurig. Sie war wirklich gut im Bett. Dann hatte auf scheinbar logische und natürliche Weise eins zum anderen geführt, eine Reihe von Schritten, die in die kurze Unterredung am Tower in London gemündet hatte. Und nun - nun hatte er etwas, von dem die andere Seite Gebrauch machen konnte. Nur wußte er nicht, wen er davon unterrichten sollte. Begriffen die Russen überhaupt, was sie mit diesem wahnwitzigen Lager südwestlich von Haiphong in den Händen hatten? Wenn sie diese Informationen richtig nutzten, konnten sie sich viel unbeschwerter auf eine Detente einlassen und ihre Forderungen ein wenig herunterschrauben, woraufhin die USA die Möglichkeit hatten, nachzuziehen. Und das war der einzig mögliche Anfang. Zu schade, daß Wally nicht einsehen wollte, daß man mit kleinen Schritten beginnen mußte und die Welt nicht auf einen Schlag verändern konnte. Peter wußte, daß er seine Botschaft irgendwie an den Mann bringen mußte. Außerdem durfte er nicht zulassen, daß Wally zu diesem Zeitpunkt aus dem Regierungsdienst ausschied und einer dieser großkotzigen Finanzhaie wurde, von denen es weiß Gott schon genug auf der Welt gab. Er war richtig auf seinem Platz, wenn er auch zuviel redete. Aber das kam von seiner Labilität, davon und von seiner Drogensucht, dachte Henderson, als er beim Rasieren in den Spiegel sah.
    Zum Frühstück las er die Morgenzeitung. Auf der Titelseite der gleiche Bericht wie jeden Tag: Eine mittelprächtige Schlacht um einen Hügel, der schon ein dutzendmal den Besitzer gewechselt hatte. Soundso viele Amerikaner und soundso viele Vietnamesen gefallen. Dann ein langweiliger und wenig origineller Leitartikel, der sich mit der Auswirkung eines x-beliebigen Luftangriffs auf die Friedensgespräche beschäftigte. Und die geplante Demonstration. Als ob solch eine pubertäre Aktion irgendwas bewirken würde - aber immerhin wurden dadurch gewisse Politiker unter Druck gesetzt und die Aufmerksamkeit der Presse

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