01 - Gnadenlos
eine Person, die mit beiden Mordserien in Zusammenhang stand und mit einem der Opfer eng befreundet gewesen war, und sie war der Polizei doch bekannt, oder etwa nicht? Ryan griff zum Telefon und rief noch einmal Lieutenant Allen an.
»Frank, wie hieß noch der Kerl, der den Gooding-Fall gemacht hat, der von der Navy?«
»Kelly. John Kelly, er hat das Gewehr vor Fort McHenry gefunden, dann hat das Stadtbüro ihn angestellt, um unsere Taucher auszubilden, weißt du noch? Oh! Pamela Madden! Gütiger!« rief Allen aus, als ihm die Verbindung aufging.
»Erzählen Sie mir was über ihn, Frank.«
»Verdammt netter Kerl. Ruhig, irgendwie bedrückt - hat seine Frau verloren, Autounfall oder so.«
»Veteran, stimmt's?«
»Froschmann, UDT, Underwater Demolition Team. Damit verdient er sich seinen Lebensunterhalt. Jagt unter Wasser Zeug in die Luft und so.«
»Nur weiter.«
»Körperlich ist er ungeheuer fit, hält sich in Form.« Allen verstummte kurz. »Ich habe ihn mal tauchen sehen; er ist gezeichnet, ich meine, er hat 'ne Menge Narben. Er weiß, was ein Gefecht ist, und hat einige Kugeln abbekommen. Ich habe seine Adresse und alles, wenn Sie wollen.«
»Habe ich schon in meinen Unterlagen, Frank. Vielen Dank, Kollege.« Ryan legte auf. »Das ist er, der Unsichtbare.«
»Kelly?«
»O verdammt! Ich muß heute früh ins Gericht«, schimpfte Ryan.
»Nett, Sie wiederzusehen«, sagte Dr. Farber. Der Montag war für ihn kein schwerer Tag. Er hatte schon seinen letzten Patienten verabschiedet und wollte gerade zu einem Tennismatch mit seinen Söhnen aufbrechen. Die Beamten erwischten ihn, als er sein Büro verließ.
»Was wissen Sie von den UDT-Leuten?« fragte Ryan, der mit ihm in den Flur hinausging.
»Froschmänner, meinen Sie? Navy?«
»Genau. Sind recht zähe Burschen, nicht wahr?«
Farber grinste trotz der Pfeife in seinem Mund. »Das sind die allerersten am Strand, noch vor den Marines. Na, was glauben Sie?« Er verstummte. In seinem Gedächtnis machte es klick. »Jetzt haben sie sogar noch was Besseres.«
»Was meinen Sie damit?« fragte der Lieutenant der Mordkommission.
»Also, ich arbeite nebenbei immer ein bißchen fürs Pentagon. Hier in der Hopkins-Klinik wird viel für die Regierung erledigt. Labor für Angewandte Physik, eine Menge Spezialgeschichten. Mein Gebiet kennen Sie ja.« Er schwieg kurz. »Manchmal berate ich sie bei psychologischen Tests, mit denen wir herausfinden wollen, wie sich der Kriegseinsatz auf die Leute auswirkt. Das sind Verschlußsachen, was ich Ihnen verrate. Es gibt da jetzt eine neue Sondereinheit. Ein Ableger von UDT. Sie heißen SEALs, für »Sea Air Land« - es sind Kommandos, Typen, mit denen absolut nicht zu spaßen ist. Ihre Existenz ist weithin geheim. Die sind nicht bloß zäh. Nein, auch schlau. Sie sind so ausgebildet, daß sie ihren Grips einsetzen, vorausplanen. Nicht bloß Muskeln, auch Hirnschmalz.«
»Die Tätowierung«, fiel Ryan ein. »Er hat eine Robbe auf seinen Arm tätowiert.«
»Doc, was passiert wenn einer dieser SEAL-Typen eine Freundin hat, die brutal ermordet wird?« Es lag auf der Hand, aber er mußte die Frage trotzdem stellen.
»Dann haben Sie die Mission, nach der Sie gesucht haben«, sagte Farber, der aus der Tür trat und nun nichts mehr preisgeben wollte, auch nicht für eine Mordermittlung.
»Das ist unser Junge. Fehlt nur eins«, sagte Ryan leise, als die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte. »Ich weiß. Keinerlei Beweise. Nur ein faustdickes Motiv.«
Die Nacht brach herein. Der Tag in SENDER GREEN war für alle außer John Kelly langweilig gewesen. Das Exerziergelände war Matsch, übersät mit großen und kleinen Wasserlachen. Die Soldaten hatten den Tag über hauptsächlich versucht, trocken zu bleiben. Die Turmbesatzungen hatten ihre Positionen nach der wechselnden Windrichtung ausgerichtet. So ein Wetter wirkte sich auf die Menschen aus, die meisten wurden eben nicht gern naß. Sie wurden reizbar und stumpfsinnig, was sich noch durch einen öden Dienst, wie es hier der Fall war, verstärkte. In Nordvietnam bedeutete dieses Wetter weniger Luftangriffe, noch ein weiterer Grund für die Männer da unten, sich gehenzulassen. Die im Lauf des Tages ansteigende Hitze hatte die Wolken weiter aufgeladen und ihnen Feuchtigkeit zugeführt, die sie prompt wieder an den Boden abgaben.
Was für ein Scheißtag, sagten die Bewacher bestimmt beim Abendessen zueinander. Alle würden nicken und sich auf ihr Essen konzentrieren, nach unten,
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