01 - Gnadenlos
sie sich so gefreut wie eine Sportmannschaft auf die Siegesfeier in der Umkleidekabine. Aber die gab es nun nicht. Sie hatten keinen Erfolg gehabt und wußten immer noch nicht, warum.
Irvin und ein weiterer Marinesoldat kletterten mit einem Körper in den Armen heraus, was die versammelten Flaggoffiziere wirklich überraschte, zumal danach Kelly putzmunter ausstieg. Der Hubschrauberpilot machte große Augen, als er das sah. Auf der Wiese waren also doch zwei Menschen gewesen. Aber hauptsächlich war er erleichtert, daß ihm wenigstens eine halbwegs erfolgreiche Rettungsaktion in Nordvietnam geglückt war.
»Wer zum Teufel...?« fragte Maxwell, während das Schiff schon nach Osten abdrehte.
»Äh, Leute, schafft diesen Kerl gleich nach drinnen und isoliert ihn!« sagte Ritter.
»Er ist bewußtlos, Sir.«
»Dann holt einen Sanitäter«, befahl Ritter.
Sie wählten für die Nachbereitung eine der vielen leeren Mannschaftskabinen der Ogden aus. Kelly durfte sich das Gesicht waschen, aber sonst nichts weiter. Ein Sanitäter untersuchte den Russen und verkündete dann, daß dieser benommen, aber gesund sei. Beide Pupillen reagierten gleich, er habe also keine Gehirnerschütterung erlitten. Zwei Marinesoldaten bewachten den Gefangenen.
»Vier LKWs«, sagte Kelly. »Die fuhren geradewegs ins Lager. Ein erweiterter Zug Verstärkung, etwa fünfzig Mann, ein bewaffneter Zug wahrscheinlich, der aufgetaucht ist, während unsere Einsatztruppe schon unterwegs war. Sie haben gleich angefangen, sich einzugraben. Ich mußte abblasen.«
Greer und Ritter tauschten einen Blick aus. Das kann kein Zufall sein.
Kelly sah Maxwell an. »Es tut mir schrecklich leid, Sir.« Er hielt kurz inne. »Unter diesen Umständen wäre die Mission nicht mehr durchführbar gewesen. Ich mußte vom Hügel herunter, weil sie Horchposten ausgeschickt haben. Ich meine, selbst wenn wir das in den Griff bekommen hatten... «
»Wir hatten ja auch Kampfhubschrauber, vergessen Sie das nicht«, knurrte Podulski.
»Halt dich zurück, Cas«, warnte ihn James Greer.
Kelly sah den Admiral lange an, bevor er auf die Anschuldigung einging. »Admiral, die Erfolgsaussichten waren gleich Null. Sie haben mich beauftragt, das Zielobjekt im Auge zu behalten, damit wir es im kleinen Rahmen erledigen können, stimmt's? Mit großem Aufwand hätten wir es unter Umständen schaffen können - das Song-Tay-Team hätte es geschafft. Es hätte zwar ein Gemetzel gegeben, aber die hatten genug Feuerkraft, um es durchzuziehen, so, wie sie direkt ins Ziel vorgestoßen sind.« Er schüttelte nochmals den Kopf. »Aber auf unsere Art nicht.«
»Sind Sie sicher?« fragte Maxwell.
Kelly nickte. »Ja, Sir. Todsicher.«
»Danke, Mr. Clark«, sagte Captain Albie ruhig, der das Gehörte nicht im geringsten bezweifelte. Kelly saß da, noch immer angespannt von den nächtlichen Ereignissen.
»Okay«, sagte Ritter nach einer kurzen Pause. »Was ist mit unserem Gast, Mr. Clark?«
»Ich hab Mist gebaut«, gab Kelly zu und erklärte, wie das Auto so nahe hatte herankommen können. Er griff in seine Tasche. »Ich habe den Fahrer und den Lagerkommandanten
- ich denke wenigstens, er war es - getötet. Das da hatte er bei sich.« Kelly händigte die Dokumente aus. »Der Russe hat auch eine Menge Papiere bei sich. Ich habe mir gedacht, es wäre unklug, ihn dort zu lassen. Ich war der Meinung, er könnte uns nützlich sein.«
»Die Papiere sind in Russisch«, verkündete Irvin.
»Zeigen Sie mal her«, befahl Ritter. »Ich kann ganz gut Russisch.«
»Wir brauchen auch jemand, der Vietnamesisch lesen kann.«
»Da habe ich einen«, sagte Albie. »Irvin, holen Sie Sergeant Chalmers her.«
»Aye aye, Sir.«
Ritter und Greer gingen zu einem Tisch in der Ecke. »Meine Herren!« bemerkte der Feldoffizier, als er die schriftlichen Aufzeichnungen durchblätterte. »Der Kerl hat eine Menge... Rokossowskij? Der ist in Hanoi? Hier ist eine Zusammenfassung.«
Der Geheimdienstspezialist Chalmers machte sich daran, die Major Vinh abgenommenen Unterlagen durchzulesen. Alle übrigen warteten, bis die Spezialisten die Aufzeichnungen durchgegangen sein würden.
»Wo bin ich?« fragte Grischanow auf russisch. Er versuchte, an seine Augenbinde zu kommen, konnte aber die Hände nicht bewegen.
»Wie fühlen Sie sich?« ertönte eine Stimme in der gleichen Sprache.
»Das Auto ist irgendwo gegengeknallt.« Die Stimme verstummte. »Wo bin ich?«
»Sie sind an Bord der USS Ogden, Oberst«, erklärte
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