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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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konnte eventuell auch länger dauern, dachte der Fahrer. Sie wollten ja nicht von einem Staatspolizisten aufgehalten werden. Beide Männer waren gerade um zehntausend Dollar reicher geworden. Die Hintergründe kannten sie nicht. Die brauchten sie auch nicht zu wissen.
    »Hallo?«
    »Mr. Brown?«
    »Nein. Wer spricht?«
    »Sandy. Ist Mr. Brown da?«
    »Woher kennen Sie die Familie Brown?«
    »Wer ist denn dran?« fragte Sandy und blickte aufgeschreckt aus dem Küchenfenster.
    »Hier ist Sergeant Peter Meyer von der Pittsburgher Polizei. Und wer sind Sie nun?«
    »Ich bin diejenige, die Doris hingefahren hat - was ist denn los?«
    »Ihren Namen bitte!«
    »Geht es ihnen gut?«
    »Sie sind offensichtlich ermordet worden«, erwiderte Meyer zwar geduldig, aber in barschem Ton. »Nun muß ich Ihren Namen haben und... «
    Sandy drückte mit dem Finger auf die Gabel, unterbrach die Leitung, bevor sie noch mehr zu hören bekam. Hätte sie noch mehr gehört, wäre sie gezwungen gewesen, Fragen zu beantworten. Ihre Beine zitterten, zum Glück stand ein Stuhl ganz in der Nähe. Ihre Augen waren weit geöffnet. Das war doch nicht möglich, sagte sie sich. Wie konnte irgendwer erfahren haben, wo sich Doris aufhielt? Sie wird doch nicht die Leute anrufen, die - nein, unmöglich, dachte die Schwester.
    »Warum?« flüsterte sie vernehmlich. »Warum, warum, warum?« Sie kann doch keinem was antun - o ja, doch... aber wie haben die das herausgefunden?
    Die müssen jemand bei der Polizei eingeschleust haben. Johns Worte fielen ihr wieder ein. Er hatte offenbar doch recht.
    Das war aber nicht entscheidend.
    »Verdammt noch mal, wir hatten sie schon gerettet«, entfuhr es Sandy. Sie konnte sich an fast jede Minute der beinahe schlaflosen ersten Woche erinnern. Da waren die Fortschritte gewesen, das Hochgefühl, die ungetrübte Zufriedenheit darüber, eine Arbeit professionell und gut erledigt zu haben, und dann noch die Freude, als sie den Blick im Gesicht von Doris' Vater gesehen hatte. Alles futsch. Alles vergeudete Zeit.
    Nein.
    Keine Zeitvergeudung. Es war ihre Lebensaufgabe, Kranke wieder gesund zu machen. Das hatte sie getan. Darauf konnte sie stolz sein. Es war keine Zeitvergeudung, es war gestohlene Zeit, zwei gestohlene Leben. Sie mußte weinen und ging ins Bad, wo sie sich mit Papiertüchern die Augen abtupfte. Dann schaute sie in den Spiegel und sah Augen, die sie noch nie zuvor erblickt hatte. Und da verstand sie voll und ganz.
    Die Krankheit war ein Drache, gegen den sie vierzig Stunden und mehr in der Woche kämpfte. Da Sandra O'Toole eine erfahrene Schwester und Lehrerin war, die gut mit den Ärzten ihrer Abteilung zusammenarbeitete, kämpfte sie auf ihre Art gegen diese Drachen an, mit Professionalität, Freundlichkeit und Intelligenz, wobei sie öfter gewann als verlor. Und es wurde jedes Jahr besser. Es konnte ihr zwar nie schnell genug vorangehen, aber sie spürte reale und meßbare Verbesserungen, und vielleicht würde sie noch lange genug leben, um zu sehen, wie der letzte Drache in ihrer Abteilung endgültig starb.
    Aber es gab ja mehr als eine Art von Drachen, oder etwa nicht? Einige waren nicht mit Freundlichkeit, Medikamenten und pflegerischer Sorgfalt zu töten. Einen hatte sie besiegt, aber dennoch war Doris von einem anderen ermordet worden. Und für jenen Drachen gab es nur das Schwert in der Hand eines Kriegers. Das Schwert war doch nur ein Werkzeug? Es war notwendig für den, der genau jene Drachen erschlagen wollte. Sie würde es wahrscheinlich nicht selbst in die Hand nehmen können, aber es blieb dennoch ein notwendiges Werkzeug. Jemand mußte dieses Schwert in die Hand nehmen. John war überhaupt kein schlechter Mensch, er war nur realistisch.
    Sie bekämpfte ihre Drachen, er die seinen. Es ist der gleiche Kampf. Es war falsch gewesen, ihn zu verurteilen. Nun verstand sie, da sie in ihren Augen die gleiche Emotion wahrgenommen hatte, die sie vor Monaten bei ihm gesehen hatte. Ihre Empörung verflog zwar nicht ganz, aber doch so weit, daß sie einer Entschiedenheit Platz machte.
    »Nun, alle sind heil davongekommen«, sagte Hicks, der ein Bier rüberreichte.
    »Wie das, Wally?« fragte Peter Henderson.
    »Die Mission ist buchstäblich ins Wasser gefallen. Sie ist gerade rechtzeitig abgebrochen worden. Es ist Gott sei Dank niemand verletzt worden. Sie fliegen jetzt gerade alle heim.«
    »Das ist eine gute Nachricht, Wally!« Henderson meinte, was er sagte. Er wollte auch nicht, daß jemand getötet

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