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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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seine Gedanken zu ordnen, und lehnte sich an das steinerne Geländer, den Blick zum Dorf. Oliva Odells Haus, rechts von ihm, war dunkel, Frau und Kind schliefen in sicherer Unschuld in seinem Inneren. Von der anderen Straßenseite, wo Nigel Parrishs Häuschen am Rand der Gemeindewiese stand, wehten geisterhaft gedämpfte Orgelklänge herüber. Zu seiner Linken wartete der Gasthof auf ihn, und dahinter führte die High Street in einer Biegung zum Wirtshaus. Von seinem Standort aus konnte er die St. Chad's Lane mit den Gemeindehäusern nicht sehen. Aber er konnte sie sich vorstellen. Da er kein Verlangen hatte, das zu tun, kehrte er zum Gasthof zurück.
    Er war keine Stunde weg gewesen, aber schon beim Eintreten wußte er, daß während seiner Abwesenheit Stepha zurückgekehrt war. Es war, als hielte das Haus den Atem an, während es darauf wartete, daß er die Wahrheit entdeckte. Seine Füße waren bleischwer.
    Er wußte nicht, wo Stepha ihre Privaträume hatte, aber er vermutete, daß sie sich irgendwo im Erdgeschoß befanden. Hinter dem Empfang, in Richtung zur Küche. Er trat durch die Tür.
    Und er bekam sogleich seine Antwort. Greifbar hing sie in der Luft, die ihn umgab. Er konnte den Zigarettenrauch riechen. Er konnte den Alkohol, dessen Duft die Luft durchzog, beinahe auf der Zunge schmecken. Er konnte das Gelächter hören, das Flüstern und Tuscheln der Leidenschaft und der Lust. Er fühlte die Hände, die ihn erbarmungslos vorwärts zogen. Es blieb nur eines: der Wahrheit ins Auge zu blicken.
    Er klopfte an die Tür. Augenblicklich trat Stille ein.
    »Stepha?«
    Gedämpfte, hastige Bewegung. Stephas leises Lachen. Beinahe wäre er im letzten Moment umgekehrt. Aber dann drehte er den Türknauf und trat ein.
    »Vielleicht kannst du mir jetzt ein Alibi geben, das sticht«, sagte Richard Gibson mit einem rauhen Lachen und gab der Frau einen Klaps auf den nackten Schenkel. »Ich hatte den Eindruck, der Inspector glaubte meiner kleinen Madeline nicht einen Moment.«

15
    Helen sah ihn, als sie sich durch das Gewühl auf dem Fußgängerüberweg vom Bahnsteig zur Halle drängten. Die zweistündige Zugfahrt war strapaziös gewesen; auf der einen Seite die ständige Angst, Gillian könnte jeden Moment einen Zusammenbruch erleiden; auf der anderen das verzweifelte Bemühen, Sergeant Havers aus dem finsteren Loch der Depression zu locken, in das sie sich verkrochen hatte. Helen hatte sich so sehr überfordert gefühlt, daß schon der Anblick Lynleys, wie er sich da, im Luftzug des davonfahrenden Zugs stehend, das blonde Haar aus der Stirn strich, sie so erleichterte, daß ihr fast die Knie zitterten. Um ihn herum drängten und stießen die hastenden Menschen, doch er sah aus, als wäre er ganz allein. Er schaute auf. Ihre Blicke trafen sich, und für einen Moment stockte ihr Schritt.
    Selbst aus dieser Entfernung konnte sie die Veränderung an ihm erkennen. Die umschatteten Augen. Die Spannung, die sich in der Haltung seines Kopfes und seiner Schultern ausdrückte, die tiefer gewordenen Kerben um Nase und Mund. Er war es, und er war es doch auch nicht. Es konnte nur einen Grund dafür geben: Deborah.
    Er war ihr in Keldale begegnet. Das verriet ihr sein Gesicht. Und aus irgendeinem Grund - obwohl ein Jahr vergangen war, seit er seine Verlobung mit Deborah gelöst hatte, und trotz der vielen Stunden, die sie seitdem mit ihm verbracht hatte - wurde sie sich bewußt, daß sie die Vorstellung, er könnte ihr von dem Zusammentreffen mit Deborah erzählen, nicht ertragen konnte. Auf keinen Fall wollte sie ihm eine Gelegenheit geben, es zu tun. Es war feige. Sie verachtete sich dafür. Und sie hatte in diesem Moment keinerlei Verlangen, darüber nachzudenken, warum es plötzlich so ungeheuer wichtig geworden war, daß er mit ihr nie wieder über Deborah sprach.
    Er schien ihre Gedanken gelesen zu haben. Das flüchtige, ein wenig schiefe Lächeln, mit dem er sie ansah, sagte es ihr.
    »Du hast keine Ahnung, wie froh ich bin, dich zu sehen, Tommy«, sagte sie, als sie den Fuß der Treppe erreicht hatten, wo er wartete. »Ich hab' praktisch die ganze Fahrt vor Angst gebibbert, du könntest in Keldale hängengeblieben sein und wir müßten einen Wagen mieten und wie die Wilden im Moor herumkurven, um dich aufzustöbern. Aber nun hat sich ja alles in Wohlgefallen aufgelöst, und ich hätte mir die Berge von Keksen sparen können, die ich unterwegs aus lauter Nervosität verdrückt habe. Das Essen auf der Bahn ist absolut

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