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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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eine Reihe späterer Veränderungen hatte es in ein wunderliches Prunkstück unbekümmerter Stillosigkeit verwandelt. In den altmodischen Fenstern spiegelte sich das trübe Mondlicht, das durch die Nebelschleier über dem Hochmoor sickerte. Efeuähnliches Gerank, aus dem zwischen glänzenden Blättern mauvefarbene Blüten sprossen - Leinkraut, wie sich bei Tageslicht zeigen würde -, überzog die Mauern. Auf dem Dach hob sich ein Wirrwarr von Schornsteinen schwarz vom Nachthimmel ab. Der ganze Bau erschien wie die Ausgeburt eines widerspenstigen Geistes, der nicht bereit war, das Dasein des 20. Jahrhunderts anzuerkennen. Und der gleiche Geist herrschte im Park rund um das Haus.
    Uralte Eichen breiteten hier ihre massigen Äste über Rasenflächen, wo blumenumkränzte Standbilder das Gleichmaß der grünen Weite unterbrachen. Gewundene Pfade lockten mit Sirenenzauber in den Wald hinter dem Haus. Das Plätschern eines Springbrunnens und das Blöken eines Schafs waren die einzigen Laute, die das Seufzen des Nachtwinds begleiteten.
    Deborah drehte sich wieder zum Wagen um. Simon hatte seine Tür geöffnet. Geduldig wartete er auf ihre Reaktion, die Reaktion der geschulten Fotografin.
    »Es ist wunderschön«, sagte sie. »Simon, ich danke dir.«
    Er hob das geschiente Bein aus dem Wagen, stellte es auf den Boden und bot ihr seine Hand. Mit einer routinierten Bewegung half Deborah ihm auf die Füße.
    »Es kommt mir vor, als wären wir stundenlang im Kreis gefahren«, bemerkte Simon und streckte sich.
    »Das sind wir ja auch«, meinte sie neckend. »›Keine zwei Stunden vom Bahnhof entfernt, Deborah. Eine herrliche Fahrt.‹«
    Er lachte leise. »Aber es war doch auch eine herrliche Fahrt, Liebes. Gib's zu.«
    »Absolut. Als ich die Rievaulx Abtei das dritte Mal sah, war ich völlig hin.« Sie blickte zu der schweren Eichentür hinüber. »Also, wollen wir es versuchen?«
    Der Kies knirschte unter ihren Füßen, als sie auf die dunkle Nische zugingen, in die die Tür eingelassen war. Eine verwitterte Holzbank lehnte an der Mauer daneben, und zu beiden Seiten standen zwei große Steintöpfe, der eine überquellend von satten Blüten, der andere letzte Ruhestätte einer Familie verkümmerter Geranien, deren dürre Blätter raschelnd zu Boden flatterten, als Simon und Deborah an ihnen vorübergingen.
    Simon betätigte den Türklopfer aus schwerem Messing, der in der Mitte der Tür herabhing. Nichts geschah.
    »Da ist auch eine Glocke«, bemerkte Deborah. »Versuch's mal mit der.«
    Das Läuten, das offenbar bis in die tiefsten Tiefen des Hauses drang, erregte eine, wie es schien, ganze Meute von Hunden zu wütendem Gebell.
    »Na, das hat gewirkt.« Simon lachte.
    »Verdammt noch mal, Caspar! Jason! Das war doch nur die Glocke, ihr Teufel!« Die scheltende Stimme hinter der Tür war tief, ihr Tonfall eindeutig der einer Frau, die hier in dieser Gegend groß geworden war. »Weg mit euch! Raus! Marsch in die Küche!«
    Es folgte ein Moment Stille, dann Rumoren und neuerliches Gezeter.
    »Nein, ihr verflixten Biester! Raus jetzt! He, he, ihr Lumpen! Gebt mir sofort meine Hausschuhe! Oh, verdammt, zum Teufel mit euch.«
    Damit wurde drinnen quietschend ein Riegel zurückgeschoben, und die Tür wurde geöffnet. Eine barfüßige Frau sprang auf den eiskalten Steinen der Eingangshalle auf und nieder, daß ihr das krause graue Haar nur so um die Ohren flog.
    »Mister Allcourt-St.-James«, sagte sie ohne Gruß. »Herein mit Ihnen beiden. Ach, verdammt.«
    Sie zog sich die wollene Stola von den Schultern, warf sie zu Boden und stellte ihre kalten Füße darauf. Dann zog sie den voluminösen roten Morgenrock fester um sich und schlug, sobald Simon und Deborah eingetreten waren, krachend die Tür zu.
    »So, das ist besser.« Sie lachte drohend, ohne Zurückhaltung und gänzlich ungeniert. »Sie müssen entschuldigen. Sie kommen sich wahrscheinlich vor wie in einem Roman von Emily Brontë. Aber ganz so schlimm ist es im allgemeinen nicht. Haben Sie sich verfahren?«
    »Ganz fürchterlich«, bekannte Simon. »Das ist meine Frau Deborah, Mrs. Burton-Thomas«, fügte er hinzu.
    »Sie sind sicher ganz durchgefroren«, meinte Alice Burton-Thomas. »Aber das werden wir gleich haben. Gehen wir erst mal rüber ins Eichenzimmer. Da ist es schön warm. - Danny!« rief sie laut. Dann: »Kommen Sie. Immer mir nach. - Danny!«
    Sie folgten ihr durch die eiskalte steingeflieste Halle mit den weiß gekalkten Wänden und den dunklen Deckenbalken. Die in

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