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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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anspruchsvoller Name für diesen miesen kleinen Laden. Sie fuhr langsamer und spähte durch die schmutzige Windschutzscheibe, um zu sehen, ob sich im Laden noch etwas rührte. Die Eigentümer wohnten über dem Laden. Vielleicht konnte sie sie herunterlotsen, wenn sie ein bißchen an die Tür klopfte. Nein, das war zu lächerlich. Die Reise nach Griechenland war sowieso nur ein Hirngespinst; ihre Mutter würde eben noch ein wenig länger auf die Prospekte warten müssen.
    Aber sie war heute in der Stadt mindestens an einem Dutzend Reisebüros vorbeigekommen. Warum war sie nicht hineingegangen? Was hatte ihre Mutter denn sonst schon vom Leben außer diesen armseligen kleinen Träumen? Von dem plötzlichen Bedürfnis übermannt, ihr Versäumnis irgendwie gutzumachen, hielt Barbara vor Comos Lebensmittelgeschäft an, einem windigen kleinen Laden mit grünen Wänden und rostigen Stahlregalen. Aus den übereinandergestapelten Kisten vor dem Laden wehte ihr der typische Geruch von nicht mehr taufrischem Gemüse entgegen.
    »Hallo, Barbara!« begrüßte Como sie aus dem Ladeninnern, während sie sich draußen über die Obstkästen beugte. Hauptsächlich Äpfel. Ein paar späte Pfirsiche aus Spanien. »So spät noch unterwegs?«
    Er konnte sich natürlich nicht vorstellen, daß sie etwas vorhaben könnte. Niemand konnte das. Sie selbst auch nicht.
    »Ich hab' Überstunden gemacht, Mister Como«, antwortete sie. »Wieviel kosten die Pfirsiche?«
    »Fünfundachtzig das Pfund. Ihnen geb' ich sie für achtzig, hübsches Kind.«
    Sie suchte sechs Früchte aus. Er wog sie ab, packte sie ein und reichte sie ihr.
    »Ihr Vater ist heut vorbeigekommen.«
    Sie blickte rasch auf und sah, wie sich Comos Gesicht verschloß, als er ihren Blick bemerkte.
    »Hat er sich anständig benommen?« fragte sie obenhin, während sie ihre Schultertasche überstreifte.
    »Ein Mann wie Ihr Vater benimmt sich immer anständig.«
    Como nahm ihr Geld, zählte es zweimal und ließ es in die Kasse fallen. »Danke, Barbara. Wiedersehen«, rief er ihr nach, als sie sich zum Gehen wandte. »Und passen Sie gut auf sich auf. Auf so hübsche Frauen wie Sie haben's die Männer abgesehen.«
    »Ich pass' schon auf«, rief Barbara zurück.
    Sie legte die Pfirsiche vorn auf den Sitz. Auf hübsche Frauen wie dich haben's die Männer abgesehen, Barb. Sei schön vorsichtig. Immer die Beine kreuzen. Holdselige Tugend wie deine ist schnell verloren. Und einmal ein gefallenes Mädchen, immer ein gefallenes Mädchen. Sie lachte bitter, legte den Gang ein und fuhr auf die Straße hinaus.
    In Ealing gab es zwei Wohngebiete, die gute Seite und die schlechte Seite vom Gemeindepark, wie die Einwohner schlicht zu sagen pflegten. Es war, als teile eine unsichtbare Trennungslinie, die mitten durch die Grünanlage mit ihren Rasenflächen, Eichen und Buchen verlief, den Vorort säuberlich in zwei Hälften.
    Die »gute Seite« lag östlich vom Park - schmucke Backsteinhäuser mit farbenfroh gestrichenen Türen und blanken Fenstern, in denen sich blitzend die Morgensonne spiegelte. Rosen wuchsen dort im Überfluß. Fuchsien leuchteten in Hängeampeln. Kinder spielten auf sauber gefegten Bürgersteigen oder in hübsch angelegten Gärten. Im Winter lag der Schnee wie Zuckerguß auf den Giebeldächern, und im Sommer bildete das Geäst hoher Ulmen grüne Dächer, unter denen Pärchen und Familien an schönen Abenden spazierengingen. Auf der »guten Seite« des Parks gab es niemals Streit und nie laute Musik, nie roch es nach Küchendunst, nie wurde im Zorn eine Faust erhoben. Hier war die vollkommen heile Welt, in der alle in Frieden, Freude und Wohlstand lebten.
    Ganz anders aber sah es auf der anderen Seite aus, westlich vom Park.
    Die Leute sagten gern, daß die Westseite die ganze Tageshitze abbekomme und daß deshalb dort alles so anders sei. Es war, als wäre eine gewaltige Hand vom Himmel niedergefahren und hätte Häuser, Straßen und Menschen einfach hingeworfen. Alles wirkte immer irgendwie verlottert. Keiner gab sich auf der Westseite Mühe, eine schöne Fassade zu zeigen. Die Häuser sanken langsam, aber sicher in traurigen Verfall. Gärten, die einst hoffnungsvoll angelegt worden waren, wurden bald vernachlässigt und schließlich ganz vergessen. Kinder tobten lärmend auf der Straße und erbosten die Nachbarschaft mit wilden Spielen, bis schließlich irgendwo eine Mutter aus dem Haus stürzte und laut schimpfend Ruhe verlangte. Der Winterwind pfiff durch die schlecht

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