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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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abend einen absolut packenden Vortrag über Zahnheilkunde. Er meinte, ich solle mir die Zähne versiegeln lassen. Das scheint das Allerneueste zu sein.« Alice Burton-Thomas schüttelte sich schaudernd und kippte den nächsten Brandy. »Klingt so altägyptisch, finde ich. Einbalsamierte Zähne für die Nachwelt. Oder war's nur gegen die Karies?« Sie zuckte gleichgültig die Achseln. »Ich hab' keine Ahnung. Bei den Amerikanern ist dieses Getue mit den Zähnen eine richtige fixe Idee. Daß sie nur ja alle schön gerade in Reih und Glied stehen! So ein Quatsch. Ich finde, ein paar schiefe Zähne geben einem Gesicht erst den richtigen Pfiff.«
    Sie stocherte im Feuer herum, daß die Funken sprühten.
    »Na, ich freu' mich jedenfalls, daß Sie da sind«, fuhr sie fort. »Wenn sich mein Großvater wahrscheinlich auch im Grab umdreht vor Entsetzen, daß ich aus diesen ehrwürdigen Hallen ein Gasthaus gemacht habe. Aber sonst wär's ein Museum geworden, und das ist noch schlimmer.« Über den Rand ihres Glases zwinkerte sie ihnen zu. »Nehmen Sie's mir nicht übel, aber da ist das Leben als Gastwirtin schon viel amüsanter.«
    Von der Tür her kam ein Räuspern. Ein Junge stand dort, etwas verlegen in seinem karierten Schlafanzug, über dem er eine viel zu große Hausjacke aus Samt trug, die er mit einem Gürtel zusammengezogen hatte. Er sah aus wie ein kleiner Musketier. In den Händen hielt er ein Paar Krücken.
    »Was ist denn, Eddie?« fragte Alice Burton-Thomas ungeduldig. »Du hast das Gepäck doch raufgetragen, oder?«
    »Ja. Die hier waren im Kofferraum, Tante Alice«, antwortete er. »Soll ich die auch raufbringen?«
    »Natürlich, du Dummkopf.«
    Er drehte sich um und lief davon.
    Sie seufzte. »Was ich an meiner Familie leide!« sagte sie. »Ich bin wirklich die reinste Märtyrerin. Aber jetzt kommen Sie, meine Lieben. Ich zeige Ihnen Ihr Zimmer. Sie sind doch wahrscheinlich hundemüde. Nein, nein, nehmen Sie Ihren Brandy ruhig mit.«
    Sie folgten ihr wieder durch das Speisezimmer in einen Flur. Von dort ging es eine gebohnerte Eichentreppe hinauf in die oberen Regionen des Hauses, die in tiefes Dunkel gehüllt waren.
    »Unsere Freitreppe«, teilte Alice Burton-Thomas ihnen mit und klatschte mit der Hand auf das breite Holzgeländer. »Diese Prachtstücke werden heute gar nicht mehr gemacht. Kommen Sie, hier entlang.«
    Oben führte sie sie durch einen schwach erleuchteten Korridor, in dem Ahnenporträts mit drei alten flämischen Wandteppichen konkurrierten.
    »Die muß ich unbedingt mal wegtun«, bemerkte Alice Burton-Thomas mit einer Kopfbewegung zu den Gobelins, ehe sie in einen zweiten Korridor abbogen. »Die hängen seit 1822 hier rum, aber kein Mensch konnte meine Großmutter davon überzeugen, daß sie besser wirken, wenn man sie mit etwas Abstand anschaut. Tja, die Tradition. Ich kämpfe an allen Ecken mit ihr. - So, da sind wir, meine Lieben.«
    Sie öffnete eine Tür.
    »Ich lasse Sie jetzt allein. An modernem Komfort ist alles vorhanden. Sie werden sich schon zurechtfinden. Nachtchen.«
    Mit flatterndem Morgenrock eilte sie davon, und bald war nur noch das Klatschen ihrer Hausschuhe auf dem steinernen Boden zu hören.
    Das Zimmer nahm sie mit Wärme auf. Es war, dachte Deborah, der schönste Raum, den sie je gesehen hatte. Ganz in Eiche getäfelt, mit zwei Gainsborough-Porträts, deren schöne Frauengesichter lächelnd zu ihnen herabblickten. Kleine Tischlampen mit rosafarbenen Schirmen spendeten ein sanftes Licht, das schimmernd auf das Mahagoniholz des großen Himmelbetts fiel. Der mächtige alte Schrank warf einen schrägen Schatten an die Wand, auf dem Frisiertisch glänzte eine Garnitur silberner Bürsten. Auf einem Tisch unter einem der Fenster stand eine Vase mit Lilien. Deborah ging hin und berührte behutsam eine der gelblichweißen Blüten.
    »Es ist eine Karte dabei«, sagte sie und zog die Karte heraus, um sie zu lesen. Dann drehte sie sich nach Simon um.
    Er hatte sich in einen Sessel am offenen Kamin gesetzt und betrachtete sie, wie er das so häufig tat, in liebevollem Schweigen.
    »Danke dir, Simon«, sagte Deborah leise. Sie steckte die Karte wieder in den Strauß. Ihre Augen waren feucht, doch sie zwang sich, in leichtem Ton zu sprechen. »Wie hast du dieses Haus nur gefunden?«
    »Gefällt es dir?« fragte er zurück.
    »Eine schönere Überraschung hättest du mir nicht bereiten können. Und das weißt du auch, nicht wahr?«
    Er antwortete nicht. Als es klopfte, warf er ihr einen

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