Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 Jesses Maria: Kulturschock

01 Jesses Maria: Kulturschock

Titel: 01 Jesses Maria: Kulturschock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
Vom Netzwerk:
nicht für mich zurechtgemacht. Wie hab ich seinen bunten Trainingsanzug gehasst. Aber er liebte dieses Teil. Genau wie seine Boxershorts: Wie Miniröckchen sahen die aus, wenn sie ihm um die Beine schlabberten. Warum kriegen Männer eigentlich keine dicken Oberschenkel? Von hinten sehen auch dicke Männer oft schlank aus, die haben ihren Speck nur vorne. Mich hat Manni jedenfalls nie in nachlässiger Unterwäsche gesehen. Wenn ich einmal im Monat die Kochechten trug, weil es nicht anders ging, dann hat er mich nicht darin gesehen. Lässt sich ja leicht vermeiden, so ein Anblick.
    Mittwochs, Samstag und sonntags hab ich immer die guten Dessous getragen. Das waren unsere Liebestage. In den letzten Jahren passierte das mit der Liebe nicht mehr oft, aber so ein Ritual, das sitzt fest im Kopf und dann wartet man quasi schon morgens darauf.Besonders, wenn es lange her ist. Ja, ich hatte manchmal dienstags Lust. Oder Sonntagabend statt vor dem Aufstehen. Da war aber nichts zu machen, da guckte Manni Tatort.
    Ich hab fast immer mitgespielt, auch wenn mir nicht danach war. Damit er sich nicht mit den jungen Hühnern in der Firma einlassen musste. Und weil es ja auch meine Pflicht war, dafür zu sorgen, dass er ausgeglichen war. Männer brauchen das für ihren Seelenfrieden. Meine Oma hat zu mir gesagt, als ich noch ganz jung war: „Vor der Ehe muss man es mit ihnen tun, sonst rufen sie nicht wieder an. Während der Ehe muss man es mit ihnen tun, sonst rufen sie an und erzählen dir was von Überstunden.“ Ich habe es mir gemerkt.
    Ich hab ihn vermisst in der ersten Zeit nach der Scheidung. Die Kinder waren erwachsen und aus dem Haus, so lange hat er wenigstens gewartet.
    Was hab ich alles für ihn getan. Wie schön hab ich die Wohnung in Ordnung gehalten, damit er sich wohl fühlte. Und ich hab das nach Feierabend machen müssen, außer in den Jahren, in denen ich Erziehungsurlaub hatte.
    Wir hatten diese helle Sofa-Garnitur und dazu alles in taubenblau und beige. Zeitlos und gemütlich war das. Empfindlich ist so eine Einrichtung schon. Auf dem Sofa sah man jeden Fleck und Manni war so unachtsam. Selbst wenn ich ihm jedes Mal eine Decke unter den Hintern geschoben habe, schaffte er es, einen Fleck zu hinterlassen. Er hat auch nie begriffen, wie viel Arbeit es war, den Teppichboden im Quadrat zu saugen.Nun ist er schon lange weg und ich brauch mich nicht mehr darüber zu ärgern, dass seine Socken unter dem Couchtisch liegen und dass seine dreckigen Boxershorts vor und nicht im Wäschekorb liegen.
    Soll er doch sehen, wie er klar kommt. Er wird nie wieder eine finden, die sich so für ihn aufopfert. Wie oft hab ich ihm das gesagt. Er hat es nie begriffen. Dabei wollte Manni es doch auch schön haben, dann muss man seine Sachen eben pflegen. Außerdem soll ein Haushalt immer so ordentlich sein, dass man jeden reinlassen kann. Was soll einer denken, wenn einer überraschend kommt und es sieht aus wie bei Hempels unterm Sofa? „Sei nicht so pingelig, Maria“, hat Manni gesagt. „Lass dich mal gehen“, hat er gesagt, „und lass wenigstens am Wochenende den blöden Haushalt liegen!“
    Das konnte ihm so passen. Ich hab ihm genau erklärt, wie mein Tag aussieht: Zwei Kinder, ein Hamster, ein Sittich, ein Streifenhörnchen. Ein Haushalt, ein Ehemann und ein Job.
    Irgendwas lag immer an. Die Kinder mussten zum Friseur. Was sollten die Leute denken, wenn ihnen die Haare ins Gesicht hingen.
    Die Kinder mussten zum Kieferorthopäden. Nein, Manni hatte nicht Recht, als er sagte, das wäre doch bloß fürs Auge. Grade Zähne sind heutzutage wie eine Eintrittskarte zur besseren Gesellschaft. Kann sich einer Tom Cruise mit schlechten Zähnen vorstellen? Ich nicht.
    Wie viele Jahre hab ich den Kindern bei den Hausaufgaben geholfen, und das hat er auch nicht verstanden, der liebe Manni.
    „Die Kinder müssen das alleine können, sie müssen lernen, alleine zu lernen“, hat er gesagt. Er wollte einfach keine Verantwortung übernehmen. Ich schon. Ohne Abitur wird heute keiner mehr was. Die Kinder haben beide Abitur.
    Wessen Verdienst ist das? Meiner. Wie oft hab ich Manni erklärt, dass so ein Tag Nerven kostet, zumal ich, wenn er Feierabend hatte, zuhause sein musste. Dann ging das ja noch weiter, weil der Herr sein Essen haben wollte und ich für ihn kochen musste.
    „Lass es doch, Schätzelein“, hat er gesagt. „Setz dich mit deiner Freundin ins Café und genieß mal eine ruhige Stunde. Du musst mir nicht jeden Tag was

Weitere Kostenlose Bücher