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01 Jesses Maria: Kulturschock

01 Jesses Maria: Kulturschock

Titel: 01 Jesses Maria: Kulturschock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
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dunkelhaarig, genau wie ich. Alle Dunkelhaarigen werden im Alter langsam immer blonder, damit man die grauen Haare nicht sieht. Uschi Glas ist das beste Beispiel. Als sie damals das Schätzchen war, war sie noch keine Blondine. Die Bergmann-Köhler ist Anfang fünfzig. Bei dem Geld, das die hat, ist die mit Sicherheit geliftet. Kein Mensch über fünfzig sieht so unnatürlich glatt aus. Ich wette, dass ihre Zähne auch künstlich sind. Solche Leute können sich noch Zähne leisten. Wenn meine mal hinüber sind, muss ich sehen, womit ich zubeiße. Zähne und Autos gehen immer ohne Vorwarnung kaputt. Keine Ahnung, ob mein Notgroschen dann schon reicht. Und wenn, dann bestimmt nur für billigen Kunststoff, und nicht für so ein edles Gebiss, wie die Bergmann-Köhler eins hat. Sie zeigt es aber auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
    Aishe wäscht meine Intensive-Nature-Coloration aus. Jetzt wird’s spannend. Sobald sie mit dem Fönen fertig ist, kann ich mir mein cappuccino-goldnougat-burgund-farbenes Haar ansehen. Wo geht sie denn jetzt hin, die Bergmann-Köhler? Aha, Richtung Klo. Das müsste mal einer fotografieren: Die berühmte Politikerin mit stinkender Chemiematsche und silbernen Folien auf dem Kopf, einem wallenden rosa Umhang übermDesigner-Outfit und lächelnd auf dem Weg zum Klo. Da ist nix mehr mit Dame spielen. Warum grinst die mich im Spiegel so an?
    Politikerinnen tun das sicher automatisch. Leute angrinsen. Damit man sie wählt, wenn es wieder soweit ist. Mich fängt man nicht mit einem Grinsen ein, da muss schon mehr kommen. Ich glaube, meine Farbe ist ganz schön. Wenn ich mir zuhause auch mit zwanzig Bürsten das Haar föhnen würde, hätte ich viel zu tun. Aber dann hätte ich auch jeden Tag Volumen. Da kommt die Dame ja schon zurück. Sie kommt direkt auf mich zu. Jetzt reicht es aber. „Guten Tag? Ja, Sie dürfen mich was fragen. Die Farbe gefällt Ihnen? Dankeschön. Steht mir gut? Finden Sie? Man muss mal was Neues wagen, nicht wahr? Das ist Cappuccino, Goldnougat und Burgund. Aber nein, Sie sollten nichts Dunkles nehmen, die blonden Strähnchen sind ganz wunderbar zu ihrer hellen Haut. Ich seh Sie manchmal im Fernsehen und fand schon immer, dass Sie ihr Haar so schön haben. Ich hab ja nicht gewusst, dass wir beide denselben Friseur haben. Ja, Gilbert ist fantastisch. Vielen Dank noch mal, Frau Bergmann-Köhler und alles Gute für Sie und Ihre Familie.“

Hochzeitstag
    Heute ist der siebte Mai. Wenn ich noch verheiratet wäre, hätte ich heute Hochzeitstag. Den dreiundzwanzigsten. Das ist fast Silberhochzeit. Stattdessen bin ich seit drei Jahren geschieden.
    Ob ich je wieder einen Mann abkriege? Eigentlich will ich gar keinen. Beruf und Haushalt sind jetzt gut zu schaffen, aber wenn ich wieder einen Kerl im Haus hätte, wäre es für mich doppelte Arbeit. Ich kann mir nicht vorstellen, für einen Fremden die Socken zu waschen oder das Klo zu putzen. Bremsspuren von einem Fremden? Nein. Bei Manni war das was anderes, das war mein Mann. Er raucht wieder, Inge hat es neulich erzählt. Als ich ihn damals kennen lernte, hat er auch geraucht, aber das war schnell erledigt. Schließlich war die Wohnung frisch gestrichen, und ich hatte keine Lust, nach einem Jahr nikotingelbe Wände renovieren zu müssen.
    Nicht rauchen. Das war das einzige Zugeständnis, das er je machen musste. Was hab ich alles für diesen Mann getan. Manni. In zwanzig Jahren hat er mich so gut wie nie ungeschminkt gesehen, nur wenn ich krank war und wenn ich Kinder gekriegt habe. Ich wollte für ihn attraktiv sein. Ich hab immer auf mein Haar geachtet, besonders später, als es grau wurde. Und als ich nach den Kindern ein bisschen dicker wurde, hat er das kaum gesehen: Wozu gibt’s diese langen Westen, die den Po bedecken. Als mein Hals die ersten Jahresringebekam, hab ich das mit Nicki-Tüchern kaschiert. Im letzten Jahr unserer Ehe hatte ich mich sogar im Fitness-Klub angemeldet. Zugegeben, ich war nicht oft da. Die jungen Weiber mit den schlanken Taillen und den straffen Brüsten waren mir zu doof. Vor allen Dingen gingen mir ihre Blicke auf meine Speckröllchen auf die Nerven. Ich weiß gar nicht, warum junge Frauen die Älteren oft verächtlich mustern. Mit fünfundzwanzig ist es keine Kunst, gut auszusehen. Das konnten wir alle. Eigentlich hatte ich damals zehn Kilo abnehmen und Manni meine neue Figur zum Geburtstag schenken wollen. Es hatte nicht geklappt. Wer weiß, ob er es überhaupt gemerkt hätte?
    Manni hat sich

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