01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis
Fenstersitz hinüber.
»Haben Sie alles gut mitschreiben können?« fragte er.
»Ich glaube schon. Warum eigentlich Lady Jo? Sie kann unmöglich etwas mit der Sache zu tun haben, da bin ich mir ganz sicher.«
»Vermutlich haben Sie recht, aber da wir durch Zufall mit Mr. Petrie angefangen haben, kann ich genausogut die am wenigsten wahrscheinlichen Personen gleich als erstes erledigen.«
»Also glauben Sie nicht, daß Phillip es war?« fragte sie erleichtert.
»Er scheint das Haus nicht gut genug zu kennen, um eine Axt auftreiben zu können. Jedenfalls nicht, ohne überall danach herumzusuchen oder den Dienern eine Menge ungeschickter Fragen zu stellen. Und wir werden bald genug herausfinden, ob er sie gestellt hat.«
»Darauf wollten Sie also hinaus. Raffiniert.«
»Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, daß er in seinem Koffer eine Axt mitgebracht hat.«
Sie lachte. »Und wenn, dann können Sie sicher sein, daß die Dienerschaft darüber schon längst genauestens Bescheid wüßte.«
»Ich muß schon sagen, mir würde das ja nicht gefallen, wenn jedes Niesen in den Aufenthaltsräumen der Dienstboten besprochen würde. Der Ärger ist nur der: Obwohl überall Diener herumschwirren, hat niemand ein Alibi.«
Daisy nickte. »Das Eis hätte man zu jeder Zeit zwischen Dämmerung und Tagesanbruch aufhacken können. Ich hab mich gewundert, daß Sie ihn wegen der Zeit zwischen sieben und neun Uhr gefragt haben.«
»Das hatte ich eigentlich gar nicht vor, aber er wollte mir ja unbedingt davon erzählen«, sagte Mr. Fletcher. »Und wir sind durch dieses Gespräch darauf gekommen, daß ihm das Haus nicht vertraut ist, also hat es sich schon gelohnt. Was ist mit den Ehepaaren? Die müssen wir uns wohl auch noch vorknöpfen.«
»Ich weiß nicht, wie es mit der Schlafzimmerverteilung aussieht«, sagte Daisy errötend, »aber Graf Wentwater hat den größten Teil des Abends in seinem Studierzimmer verbracht, Annabel ist früh zu Bett gegangen, und Sir Hugh ist nach dem Abendessen ins Rauchzimmer verschwunden. Ich weiß nicht, ob er lange genug fort war, um es zu tun.«
»Sie waren den ganzen Abend über mit Lady Josephine im selben Raum?«
»Ungefähr ab halb acht. Es war schon lange vorher dunkel geworden.« Während sie gemütlich in der Wanne gelegen hatte, hätte jeder zum See gehen können. »Die meisten Zimmermädchen haben ab acht Uhr Abends frei, obwohl ein paar Diener noch bis ungefähr Mitternacht Dienst gehabt haben dürften. Lord Stephen hat erst nach dem Abendessen von seinem frühmorgendlichen Schlittschuhlaufen erzählt.«
»Er war seit einer Woche hier, und der See ist seit drei Tagen gefroren, hab ich mir sagen lassen; die Diener werden das also todsicher gewußt haben«, sagte der Detective mit einem ironischen Blick. »Und das bedeutet, daß jeder hier es auch hätte wissen können. Wir kommen einfach nicht weiter. Sitzen Sie da bequem, Miss Dalrymple? Es ist ein schön unauffälliger Platz.«
»Deswegen habe ich ihn ja auch ausgesucht«, sagte sie zufrieden. »Wenn ich zusehen müßte, wie einer jedes Wort aufschreibt, das ich von mir gebe, würde ich wohl ziemlich bald den Mund halten. Als Phillip vorhin ging, hatte er längst vergessen, daß ich überhaupt hier bin.« Im Stillen gestand sie sich ein, daß sie das auch ein bißchen beleidigt hatte.
Als hätte er das erraten, sagte Mr. Fletcher tröstend: »Und das ist ja genau das, was wir wollen.« Er sah auf die Uhr. »Wo bleibt nur Lady Josephine? Übrigens finde ich es doch recht merkwürdig, daß Geoffrey unter diesen Umständen ausgeritten ist.«
Daisy überlegte. »Mir ist gar nicht aufgefallen, daß er zum Mittagessen nicht da war. Er ist zwar groß, aber so schweigsam, daß man ihn leicht übersieht. Er muß weggegangen sein, ehe die Leiche entdeckt worden ist.«
»Aber derjenige, mit dem er am Telefon gesprochen hat, muß ihm doch davon erzählt haben.«
»Nicht, wenn er nur einem Diener eine Nachricht aufgetragen hat. Und selbst wenn man es ihm gesagt hätte, so wäre das nicht unbedingt ein Grund für ihn gewesen, zurückzukommen. Die Sache hat schließlich nichts mit ihm zu tun.«
»Stimmt. Aber wenn er frühmorgens aus dem Haus gegangen ist, dann hat er Astwick vielleicht beim Schlittschuhlaufen gesehen oder auf dem Weg hinunter zum See. Jedes kleine Fitzelchen Information könnte von Bedeutung sein. Wenn er nicht bald hier auftaucht, dann werde ich zusehen müssen, daß ich ihn telephonisch erreiche. Übrigens, was ist mit
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