01 - Nacht der Verzückung
heiraten,
damit er nach Onslows Tod das Vermögen, den Besitz und den Titel erben würde.
Sie fürchtete sich vor dem, was er ihr - und dem Kind - antun
würde, sollte er die Wahrheit entdecken.«
»Mr.
Dorsey?«, fragte Elizabeth.
»Genau
der.« Seine Gnaden faltete den Brief zusammen und hielt ihn in seinem Schoß.
Sein Blick war zu Lily zurückgekehrt. »Wir waren töricht genug zu glauben, dass
unsere Heirat sie vor ihm schützen würde. Es verhielt sich natürlich genau
umgekehrt.«
»Sie
hatte Angst, mit dem Kind nach Hause zu gehen«, sagte Neville. »Sie wartete
darauf, dass ihr Ehemann aus der Karibik zurückkehrte - sie hatte ihm
geschrieben, um ihm von ihrem Zustand zu berichten. In der Zwischenzeit ließ
sie das Kind bei den Doyles. Sie muss vorgehabt haben, nach ihrer Heimkehr
erneut ihrem Gatten zu schreiben. Aber er war ein Offizier und daher immer in
Todesgefahr. Und sie muss sehr um ihre eigene Sicherheit gebangt haben. Deshalb
ließ sie ihr Medaillon bei dem Kind und einen Brief, der Ihrem Gemahl nach seiner
Rückkehr ausgehändigt werden sollte, oder schlimmstenfalls ihrer Tochter, falls
keiner von beiden sie jemals zu sich holen konnte.«
»Ich
hatte immer den Verdacht«, sagte Seine Gnaden, »dass ihr Tod kein Unfall war.
Ich hatte auch den Verdacht, dass Dorsey sie umgebracht hat. Sie hatte mir
tatsächlich geschrieben, um mir mitzuteilen, dass sie ein Kind gebären würde -
doch wenn sie noch einen weiteren Brief geschrieben hat, so habe ich ihn nie
erhalten. Als sie starb, trug sie kein Kind in sich, und niemand wusste etwas
von einer kürzlichen Geburt. Sie mochte sich geirrt haben, als sie den ersten
Brief geschrieben hatte, so dachte ich, oder sie mochte eine Fehlgeburt
erlitten haben. Aber irgendwie habe ich immer gewusst, dass es ein Kind gab,
dass es irgendwo auf dieser Welt jemanden gab, der mein Sohn oder meine Tochter
war. Ich habe Nachforschungen in alle erdenklichen Richtungen angestellt, aber
von Beatrice Doyle habe ich nichts gewusst.«
»Lyndon«,
fragte Elizabeth, »ist es also Mr. Dorsey, der versucht hat, Lily zu töten?
Aber doch gewiss nicht. Ich kann mir das von ihm nicht vorstellen.«
»Onslow
ist bettlägrig«, sagte Neville. »Wahrscheinlich hat William Doyle den Brief in
Dorseys Hände gegeben. Also hat er die Wahrheit gewusst, die ihn allerdings
nicht sonderlich beunruhigt haben dürfte, da Lily ja tot war. Ich frage mich
allerdings, ob Williams Tod wirklich ein Unfall war. Möglicherweise hat er bei
Onslow unerfreuliche Ansprüche für den jahrelangen Unterhalt seiner Enkelin
geltend machen wollen. Der Vikar in Leavenscourt hat vielleicht einfach Glück,
dass er noch am Leben ist. Doch dann war da Lilys plötzliches Erscheinen auf
Newbury. Dorsey war auch in der Kirche. Er sah, was Portfrey sah, und muss
sofort Bescheid gewusst haben.«
»Lily.«
Der Herzog von Portfrey lehnte sich vor und ergriff mit beiden Händen ihre
freie Hand. Der Brief fiel unbeachtet zu Boden. »Beatrice und Thomas Doyle
waren deine Mama und dein Papa. Sie gaben dir eine Familie und Sicherheit und
eine gute Erziehung und eine ungewöhnlich tiefe Liebe, wie ich annehme. Niemand
- ich am allerwenigsten - wird jemals versuchen, sie dir
wegzunehmen. Sie werden immer deine Eltern sein.«
Sie
lehnte den Kopf an Nevilles Arm, aber er konnte sehen, dass sie die Augen hob,
um Portfrey anzusehen.
»Wir
liebten uns, Lily«, sagte Portfrey, »deine M... Frances und ich. Du wurdest in
Liebe empfangen. Wir hätten dich mit all unserer Liebe überhäuft, wenn ...« Er
atmete tief ein und langsam wieder aus. »Sie liebte dich so sehr, dass sie um
deiner Sicherheit willen für eine gewisse Zeit auf dich verzichtete. Zwanzig
Jahre lang war es mir nicht möglich, sie wirklich zu begraben oder den Gedanken
fallen zu lassen, dass ich vielleicht ein Kind habe. Wir haben dich nicht im
Stich gelassen. Wenn du Frances, meine Frau, nur irgendwie als deine Mutter
ansehen könntest, Lily, wenn nicht als deine Mama ... wenn du nur mich als
deinen Vater ansehen könntest ... ich will mich nicht mit deinem Papa auf eine
Stufe stellen. Niemals. Doch erlaube mir ...« Er hob ihre Hand an die Lippen,
ließ sie dann los und erhob sich jäh.
»Wohin
gehst du?«, fragte Elizabeth.
»Sie
steht unter Schock«, sagte er, »und ich belaste sie mit meinen selbstsüchtigen
Ansprüchen. Ich muss gehen, Elizabeth. Würdest du mich entschuldigen? Ich werde
euch morgen besuchen, wenn ich darf. Aber bitte versuche nicht, Lily
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