01 - Nacht der Verzückung
in England«, erklärte er. »Hier herrscht Frieden. Und dieser
kleine Teil Englands gehört mir. Du bist hier bei mir in Sicherheit. Glaubst du
mir?«
»Ja«,
sagte sie.
»Dann
lass mich dich wieder lächeln sehen«, sagte er.
Ihr
Lächeln war unsicher. Aber ihre furchtbare Angst war verschwunden, das konnte
er sehen, auch wenn seine eigene noch da war.
»Es tut
mir Leid«, sagte sie.
»Das
muss es nicht«, sagte er. Er seufzte. »Es wäre besser gewesen, wenn wir dieses
Gespräch heute nicht weitergeführt hätten. Ich brachte dich nicht hierher, um
dich aus der Fassung zu bringen. Ich brachte dich her, weil ich diesen Ort
liebe und mein Gefühl mir sagte, dass du genauso empfinden würdest. Er gehört
dir genauso wie mir. Du bist meine Frau. Du kannst herkommen, wann immer du
möchtest. Und du wirst hier immer sicher sein - auch vor mir. Ich schwöre
es. Und du kannst hier du selbst sein. Du kannst hier ganz der Mensch sein, der
du zu sein wünschst.«
Sie
nickte und griff nach ihrer Haube. Er beobachtete sie, wie sie die Bänder unter
ihrem Kinn verknotete und sich zum Gehen wandte. Er öffnete ihr die Tür und sie
traten wieder nach draußen und begaben sich auf den Weg das Tal hinab zu dem
Pfad, der den Hügel hinaufführte. Er ging neben ihr, die Hände hinter dem
Rücken verschränkt. Er hatte sogar Angst, ihr seinen Arm zu bieten.
Die
Wunden waren also viel tiefer, als es den Anschein hatte. Würden sie jemals
verheilen? Und war er in der Lage, sie zu heilen? Hier, wo sie nicht
hingehörte, wo sie nicht die Frau sein konnte, zu der sie herangewachsen war,
lebenslustig und spontan und frei?
Doch er
hatte keine Wahl, er musste versuchen, ihr zu helfen, gesund zu werden und mit
der momentanen Realität ihres Lebens zurechtzukommen. Sie war seine Frau. Er
hatte sie innig geliebt, bevor er sie heiratete. Er hatte sie in der einen
Nacht ihrer Ehe leidenschaftlich geliebt. Und auch nach ihrem vermeintlichen
Tod hatte er sie ohne Unterlass geliebt.
Und von
dem Augenblick an, als sie vor zwei Tagen an seinem Hochzeitstag in das
Hauptschiff der Kirche getreten war, hatte er sie erneut geliebt.
Kapitel 11
Lily entschuldigte
sich bei Tante Theodora, der Viscountess Sterne, und nahm die ganze Schuld für
Mirandas ungeratenes Benehmen auf sich. Sie tat es öffentlich, während des
Abendessens, damit alle wussten, dass es ihr Fehler gewesen war. Aber Tante
Theodora errötete nur leicht und versicherte Lily, dass im Grunde ja überhaupt
nichts geschehen sei. Hal stimmte ihr heißspornig und lautstark zu, woraufhin
sein Vater, Sir Samuel Wollston, ihn in barschem Tonfall bat, er möge seine
Zunge im Zaum halten. Joseph, der Marquis mit dem langen Namen, murmelte mit
extrem gelangweilter Miene erneut etwas über Stürme in Wassergläsern. Pauline
kicherte. Und Elizabeth wechselte das Thema.
Lily
blieb nur die Erkenntnis, dass sie sich wieder einmal falsch verhalten hatte.
Es war
ein Gefühl, an das sie sich in den nächsten Tagen zunehmend gewöhnte. Nachdem
sie eines Morgens ein neues Kleid in die Küche getragen und darauf bestanden
hatte, es selbst zu bügeln, und anschließend einer Küchenmagd geholfen hatte,
einen riesigen Korb mit Wäsche hinauszutragen, um sie auf die Leine zu hängen,
wurde ihr von ihrer Schwiegermutter sehr sanft mitgeteilt, dass Diener angestellt
wurden, solche Aufgaben zu übernehmen, damit die Damen sich mit wichtigeren
Aufgaben befassen konnten. Diese wichtigen Aufgaben bestanden in einem
täglichen Treffen mit der Haushälterin und dem Prüfen der Einnahmen und
Ausgaben, die in einem Hauptbuch niedergeschrieben waren, das Lily nicht
entziffern konnte. Es dauerte nicht lang und die Gräfinwitwe versah diese
Aufgabe wieder allein.
Es
kamen zahlreiche Damen - und einige wenige Herren - zu Besuch nach
Newbury Abbey und Lily musste die gegenteilige Vorstellung über sich ergehen
lassen und anschließend mit ihnen Konversation treiben, während am Tee genippt
wurde. Eines Nachmittags sprach Mr. Cannadine, der seine Mutter begleitet
hatte, mit Neville und dem Herzog von Anburey und einigen anderen Gentlemen
über den Krieg und Lily schaltete sich voller Interesse in das Gespräch ein.
Aber nachdem die Besucher gegangen waren, zog Lauren sie zur Seite und machte
ihr deutlich, dass es sich für eine Dame nicht ziemte, über solch unangenehme
Dinge zu reden. Lily war natürlich kein Vorwurf zu machen, hatte Lauten hastig
hinzugefügt. Mr. Cannadine hätte das Thema nicht ansprechen dürfen,
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