01 - Nacht der Verzückung
heiraten. Ich werde
nicht zulassen, dass das Ganze für dich zu einer Belastung wird. Niemand wird
es erfahren.«
Er
wollte ihr um jeden Preis den Schrecken ersparen, sich unendlich allein und
verlassen zu fühlen. Er war sich sehr wohl bewusst, dass sie niemanden außer
ihn hatte. Er wollte nicht, dass sie glaubte, auch nur für einen einzigen
Moment glaubte, dass er dieses kleine Schlupfloch nutzen könnte, um sich aus
dem Versprechen, das er ihr gegeben hatte, herauszuwinden.
»Wir
sind nicht verheiratet.« Es gab nichts in ihren Augen, was darauf schließen
ließ, dass sie zugehört hatte. Sie blickte wie betäubt drein. Ihr Gesicht war
bleich.
»Lily«,
sagte er mit fester Stimme, »du brauchst keine Angst zu haben. Ich habe nicht
vor, dich zu verlassen. Wir sind verheiratet. Aber es gibt Vorschriften,
denen wir entsprechen müssen.«
»Ich
bin Lily Doyle«, sagte sie. »Ich bin immer noch Lily Doyle.«
Da
erhob er sich und ging auf sie zu. Er reichte ihr die Hand. Törichte Lily. Wie
konnte sie nach der letzten Nacht auch nur für einen Augenblick an ihm
zweifeln? Aber er hatte sie zu unvorbereitet mit den Fakten konfrontiert. Er
hatte sie nicht vorgewarnt. Zum Teufel, er war ein Trottel.
Lily
nahm die Hand nicht an. Doch als sie aufsah, konnte er sehen, dass der betäubte
Blick aus ihren Augen verschwunden war.
»Wir
sind nicht verheiratet«, sagte sie. »Oh, Gott sei Dank.«
»Gott
sei Dank?« Er
fühlte sich, als habe sein Magen einen Salto geschlagen.
»Oh, verstehst
du denn nicht?«, fragte sie ihn, umfasste die Armlehnen ihres Sessels und
beugte sich zu ihm. »Wir hätten niemals heiraten sollen, aber ich stand nach
Papas Tod unter Schock und war verängstigt, und du hast dich ihm gegenüber
loyal und mir gegenüber ritterlich verhalten. Aber wir beide haben einen
schrecklichen Fehler gemacht. Selbst wenn wir für den Rest unseres Lebens beim
Regiment hätten bleiben können, wäre es ein Fehler gewesen. Selbst dort wäre
die Kluft zwischen einem Offizier und der Tochter eines Sergeants eine
gewaltige gewesen. Ich hätte nicht so einfach eine Offiziersgattin werden und
mit den anderen Ehefrauen verkehren können. Hier jedoch«, mit einem Wisch ihres
Armes schien sie ganz Newbury Abbey und jeden, der auf dem Grundstück lebte,
einzuschließen, »hier ist die Kluft völlig unüberwindbar. Es ist ein Ding der
Unmöglichkeit. Ich habe von Flucht geträumt, genau wie du es getan haben musst.
Und jetzt ist sie uns wie durch ein Wunder gewährt worden. Wir sind nicht
verheiratet.«
Es war ihm
niemals, nicht für einen einzigen Moment, in den Sinn gekommen, das sie froh
sein könnte, die Wahrheit zu erfahren. Er wurde plötzlich von einer Panik
ergriffen, gegen die er sich nicht hatte wappnen können. Er hatte sie schon
einmal verloren, für immer, wie er geglaubt hatte. Und dann war sie ihm wie
durch ein unfassbares Wunder zurückgeschenkt worden. Sollte er sie erneut
verlieren, sogar noch grausamer als zuvor? Würde sie ihn verlassen? Nein,
nein, nein, sie hatte nicht verstanden. Er ging vor ihrem Sessel auf die Knie
und ergriff ihre Hände.
»Lily«,
sagte er, »es gibt ein paar Dinge, die wichtiger sind als Kirche oder Staat.
Zum Beispiel die Ehre. Ich versprach deinem sterbenden Vater, dass ich dich
heiraten würde. Bei unserer Trauung schwor ich vor dir und vor Gott und vor
Zeugen, dich zu lieben und zu ehren und zu dir zu stehen, bis dass der Tod uns
scheidet. Ich nahm dir in jener Nacht die Unschuld. Wir waren in der letzten
Nacht erneut zusammen. Selbst wenn wir niemals die Zeremonie vollziehen werden,
die alles rechtens macht, werde ich mich immer als deinen Ehemann betrachten.
Du bist meine Frau.«
»Nein.«
In ihrem Gesicht war nicht die Spur von Farbe, außer ihren blauen Augen, die
ihn anstarrten. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das bin ich nicht. Nicht, wenn
alle anderen sagen, dass es nicht so ist. Nicht, wenn es nicht so sein soll,
und wenn wir nicht wünschen, dass es so ist.«
»Es
soll nicht sein? Ich bin in deinem Körper gewesen, Lily.« Er drückte ihre
Hände, bis sie zusammenzuckte. Doch es war mehr als das gewesen - weit
mehr. Er war mit ihr ... vereint gewesen. Letzte Nacht waren sie eins geworden.
Sie sah
ihm gerade in die Augen. Ihre Lippen bewegten sich schwerfällig, als sie
sprach. »Genau wie Manuel«, sagte sie. »Aber auch er ist nicht mein Ehemann.«
Er fuhr
zurück, als habe sie ihm einen Schlag ins Gesicht versetzt. Manuel. Neville
presste die Augen fest zu
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