01 - Nacht der Verzückung
ganzen Leidenschaft reagieren würdest, Neville. Aber bitte hör mir zu.
Dies mag sich sehr wohl als das Beste herausstellen, was euch beiden hätte
passieren können. Du liebst sie -ich brauche nicht einmal zu fragen, ob
es so ist. Aber du musst zugeben, dass eure Ehe auf dem besten Weg war, sich zu
einer schrecklich unglücklichen zu entwickeln. Vielleicht wird beim nächsten
Mal, wenn du um Lilys Hand anhältst, mehr da sein, was euch verbindet, als nur
Liebe und Verpflichtung.«
»Beim
nächsten Mal?« Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, während der Marquis zu
einem der Bücherregale schlenderte und die Buchrücken in Augenhöhe studierte.
»Du
warst noch nie ein Mann, der das, was er am meisten im Leben wollte, kampflos
aufgegeben hätte, Neville«, sagte sie. »Und ich bezweifle zutiefst, dass es
irgendetwas gibt, was du mehr wolltest als Lily. Hast du wirklich vor, sie so
einfach aufzugeben?«
Er sah
sie einige Momente schweigend an. Seine Nerven waren noch immer zum Zerreißen
gespannt. Er konnte sich immer noch nicht damit abfinden, dass Lily ihn am nächsten
Morgen verlassen würde. Er hatte die Möglichkeit noch nicht in Betracht
gezogen, dass er sie zurückgewinnen könnte, nachdem sie Newbury Abbey verlassen
hatte. Er hatte geglaubt, er würde gezwungen sein, den Rest seines Lebens ohne
sie zu verbringen, wenn sie ihn nicht hier und jetzt heiratete.
»Wann?«
»Das
kann ich dir nicht sagen«, antwortete sie kopfschüttelnd. »Vielleicht nie.
Keinesfalls früher als in einem Monat.«
»Ein
Monat.«
»Nicht
einen Tag früher«, sagte sie. »Aber erst einmal werden wir morgen früh
aufbrechen. Ich gehe zu Bett. Gute Nacht, Neville. Gute Nacht, Joseph.«
Stille
herrschte in der Bibliothek, nachdem sie gegangen war. Neville starrte zur Tür,
und Joseph fuhr fort, die Bücher im Regal zu betrachten, ohne eines
herauszunehmen.
»Es ist
eine törichte Hoffnung«, sagte Neville schließlich. »Das ist es, Joe. Oder
nicht?«
»Oh,
hol's der Teufel.« Sein Cousin seufzte vernehmlich. »Wer kann weibliches
Verhalten vorhersagen, Nev? Ich nicht, alter Freund. Aber ich hatte schon immer
die größte Hochachtung vor Elizabeth.«
»Versprich
mir etwas«, sagte Neville.
»Alles,
Nev.« Der Marquis wandte sich vom Bücherregal ab und blickte nachdenklich durch
den Raum zu seinem Cousin.
»Hab
ein Auge auf sie«, sagte Neville. »Wenn sie Anzeichen zeigt, dass sie
fürchterlich unglücklich ist ...«
»Zum
Teufel, Nev«, sagte der Marquis. »Wenn sie unglücklich ist? Aber sie ist
frei, alter Freund, und sie wird weiterhin ihre eigenen Entscheidungen treffen.
Aber ich werde Elizabeth ab und an besuchen. Und ich werde den ganzen Weg nach
London neben ihrer Kutsche reiten, was meine Nerven auf eine beträchtliche
Probe stellen wird, da die Kutsche meines Vaters ebenfalls in der Nähe sein
wird, und mit meiner Mutter und Wilma zu reisen, ist kein angenehmes Unterfangen.
Aber ich werde dafür sorgen, dass Lily sicher nach London kommt. Darauf gebe
ich dir mein Wort.«
»Danke.«
»Und
wer weiß?«, meinte Joseph froh gelaunt und durchquerte den Raum, um Neville
freundlich auf die Schulter zu klopfen. »Vielleicht hat Elizabeth Recht und
Lily wird klarer sehen, was sie verloren hat, wenn sie erst einmal fort ist von
dir. Elizabeth weiß mehr über den weiblichen Verstand als ich. Willst du dich
noch betrinken oder sollen wir Schluss machen und uns zurückziehen?
»Ich
glaube nicht, dass ich betrunken werden würde, selbst wenn ich es versuchte,
Joe«, ließ Neville ihn wissen. »Aber danke für dein Mitgefühl.«
»Wozu
gibt es Freunde?«, fragte der Marquis.
***
Neville ging mit
aufkeimender schwacher Hoffnung zu Bett. Er schlief sogar zeitweise ein. Aber
am Morgen hatte er nur den Hall von Elizabeth' Worten vielleicht nie in
den Ohren und der Klang dieser Worte ließ jede Hoffnung schwinden.
Sie
reisten alle zusammen ab - Tante Sadie und Onkel Webster mit Wilma, Joe
zu Pferde, Elizabeth mit Lily. Die Terrasse war dicht gedrängt mit Menschen,
die sich umarmten und verabschiedeten -auch Gwen und Lauren waren zu
diesem Anlass aus dem Witwenhaus hochgekommen. Lily wurde von allen herzlich
umarmt, bemerkte Neville, als er sich von allen anderen verabschiedete. Weder
Lauren noch Gwen hatten trockene Augen, nachdem sie sich von ihr verabschiedet
hatten. Sie trug das hübsche blaue Kleid, das erst kürzlich für sie angefertigt
worden war - er hatte zutiefst befürchtet, dass sie sich weigern würde,
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